
Rui Filipe Gutschmidt 1. März 2022

Die Geschichte wird immer wieder als Rechtfertigung für militärische Interventionen herangezogen. Vladimir Putin hat den „historischen Anspruch Russlands“ auf die Ukraine geltend gemacht. Doch das ist völliger Unsinn. Wobei man auch sagen muss, dass die Scheinheiligkeit des Westens, insbesondere der NATO, eine Steilvorlage für andere imperiale Mächte bietet. Bei diesem Konflikt, wie bei den meisten kriegerischen Auseinandersetzungen, gibt es keine „Guten“. Es geht um imperiale Machtinteressen und wie immer leiden unschuldige Menschen.
Die Geschichte sollte uns eigentlich lehren, die Fehler der Vergangenheit nicht ständig zu wiederholen. Vladimir Putin wurde von mir als schlauen, aber auch räuberischen, Fuchs eingeschätzt. Doch mir scheint, als hätte er jetzt die Tollwut. Denn sein Verhalten ist von irrationaler Aggressivität geprägt und seine Aussagen und TV-Auftritte erinnern zunehmend an die Ansprachen historischer Diktatoren und an deren nationalistische, imperialistische und faschistische Propaganda. Präsident Zelinskys Auftritte sind aber auch reine Durchhaltepropaganda, was in der Situation auch nicht anders zu erwarten ist. Aber blicken wir mal auf die historische Ausrede für diesen Krieg.
Der russische Angriff kann historisch gesehen nicht gerechtfertigt werden
Der Versuch den Einmarsch in ein Souveränes Land mit historischen Ansprüchen zu rechtfertigen, obwohl immer wieder verwendet, ist nicht akzeptabel und macht auch keinen Sinn. Denn die Vergangenheit hinterlässt nur Schatten, kein Licht! Die Imperien sind wieder mit der Aufteilung der Welt beschäftigt, wobei gerade Politiker, die geschichtliche Gründe herbeirufen und somit Geschichte, wenn nicht studiert, doch zumindest gelernt haben sollten, die eigentliche Lehre aus der Vergangenheit nicht ignorieren dürften. Nationalistische und imperialistische Machtpolitik führt immer in den Krieg!
Ja, den Krieg haben wir schon, doch wenn jetzt nicht schnellstens auf die Bremse getreten wird, dann sind die Konsequenzen unvorhersehbar. Bis hin zu einem Atomkrieg und dem entsprechenden Ende der Menschheit und 99 % allen Lebens auf der Erde, ist alles möglich. Doch die jetzige Situation ist schon schlimm genug. Jedes Menschenleben ist wertvoll und das sollte insbesondere Herr Putin in Betracht ziehen, der russische und ukrainische Leben opfert, um seine Großmachtansprüche in die Tat umzusetzen. Denn das wäre die Lektion der Geschichte und nicht Putins Vorwand, um sein Imperium zu erweitern.
Wenn man ins 9. und 10. Jahrhundert zurück geht, dann hat man die Vorfahren der Russen – der Wikingerstamm der Rus – die sich im Raum des zu dieser Zeit von ihnen gegründeten Großfürstentum Kiew ansiedelten, um als neuer Adel über die slawischen Stämme im Osten Europas herrschten. Ungarn, Mongolen, Tataren, Osmanen… Seither zogen unzählige Eroberer durch das Gebiet und würfelten die Völker und Stämme wild durcheinander, vermischten sich genetisch mit der ansässigen Bevölkerung und somit sind alle Spinnereien von Rasse und Völker, von „wir und ihr“ völliger Unsinn. Das gilt für russische und ukrainische Nationalisten, Faschisten und Nazis gleichermaßen.
Nehmen wir also die Geschichte nicht als Vorwand, sondern als Lehrstoff um die Fehler der Vergangenheit nicht ständig zu wiederholen. Im 19. Jahrhundert begannen Russland und die USA ihren Aufstieg an die Weltspitze der imperialen Kolonialmächte. Während die USA über die Monroe-Doktrin (1823) Mittel- und Südamerika als ihre Spielwiese betrachteten, wo „europäische Mächte sich nicht einzumischen haben“, begab sich Russland auf die „Suche nach einer Grenze in Zentralasien“, bemühte sich um einen erweiterten Zugang zu den Weltmeeren über eisfreie Häfen und begann mit seiner panslawistischen Politik der Einflussnahme auf die Völker des Balkans und Osteuropas, wo es in Konflikt mit dem Kaiserreich Österreich-Ungarn geriet.
Die Donaumonarchie war seinerzeit ein imperialistischer Vielvölkerstaat, in dem mehrere slawische Völker die Unabhängigkeit in diesem Zeitalter der Nationalstaaten forderten. Die russischen Zaren, insbesondere Alexander I (1801-1825), Nikolaus I (1825-1855), Alexander II (1855-1881 ermordet), Alexander III (1881-1894) und Nikolaus II (1894-1917), setzten alles daran Russland zu einer führenden Weltmacht emporzuheben. Diese Vergangenheit wiederholt sich mit „Zar Putin I“ während die US-Doktrin des 20. Jahrhunderts nicht mehr nur den amerikanischen Kontinent, sondern gleich die ganze Welt umschließt. Dabei heißt es jetzt nicht mehr „keine Einmischung europäischer Mächte“, sondern „was dem US-Kapital interessiert, gehört nicht China, Russland, Indien oder dem Iran. Die Europäer sind immer noch unerwünscht.
Ich schreibe oft über das Imperium, dass bisher die Weltwirtschaft dominiert hat, indem es unzählige Kriege, Putsche und Revolutionen benutzt. Wenn der „Dollarimperialismus“ der USA nicht funktioniert, dann schicken sie ihre Streitmacht und „kämpfen für Freiheit und Demokratie“. Nun ja, die Freiheit von US-Firmen übers Ohr gehauen zu werden und die Scheindemokratie korrupter Regierungen, die den US-Amerikanern einen Freibrief in ihrem Land geben. Doch hier geht es nicht um den US-Imperialismus, um die NATO oder die Gier der G(ierigen)7. Es geht um Russlands Imperialismus, der eine rote Linie überschritten hat.

Russlands Imperialismus im 19. Jahrhundert und heute
Seit Katharina der Großen und Peter dem Großen führten die Zaren unzählige Eroberungsfeldzüge und Kriege. Das Ziel war es, das russische Reich zu erweitern und in der Riege der europäischen Mächte aufzusteigen. Der russische Expansionismus war anfangs mehr nach Osten gerichtet, doch seit dem Sieg Alexanders I über Napoleon 1812 wuchs in Russland das Bewusstsein, dass sie ein Teil Europas sind. Revolutionäres Gedankengut wuchs mit dem Einfluss europäischer Denker wie Hegel und Schelling, die auf Adelige, Offizierscorps und Intellektuelle wirkten. Der Tod des Zaren wurde von Geheimbünden zum Dekabristen-Aufstand genutzt, der von Zar Nikolaus I blutig niedergeschlagen wurde.
Mit Zar Nikolaus I wandte sich der russische Imperialismus dem Balkan und dem Kaukasus zu. Die militärische Schwäche des Osmanischen Reiches reizte die Romanovs und ihre Generäle, aber schon damals gab es vorgeschobene Gründe, wie den “Schutz der orthodoxen Christen in Südosteuropa. Griechen, Bulgaren, Serben, Rumänen unter anderen, erlangten ihre Unabhängigkeit im Laufe der nächsten Jahrzehnte, wobei auch andere europäische Mächte, allen voran Österreich-Ungarn, beim Zusammenbruch des Osmanischen Reiches halfen. Der Krimkrieg setzte dem Initiator des russischen Nationalismus, der sich auf die Orthodoxen Kirche und dem Spitzelsystem der “Dritten Abteilung” stützte, einen herben Rückschlag.
Die imperiale Expansion des Russischen Reiches setzte sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fort und wurde schließlich mit der Oktoberrevolution 1917 beendet. Bürgerkrieg der Roten gegen Weiße, und der II. Weltkrieg hinterließen ein tiefes Misstrauen unter den Völkern des ehemaligen Russischen Reiches. Das sich die wenigsten Russen, nach allem Leid, den die beiden Weltkriege und die eben beschriebene Geschichte den Menschen von Wladiwostok bis Odessa brachte, ihrer eigenen Geschichte nicht bewusst sind – die Propaganda funktioniert heute wie damals – erklärt den starken vorwiegend russischen Nationalismus im Vielvölkerstaat Russland.
Dieser Nationalismus wurde von Vladimir Putin und seiner Regierung geschürt und genährt, was seine Macht gefestigt hat. Gleichzeitig haben die Länder in Osteuropa, wie Polen, Litauen, Slowakei oder eben auch die Ukraine den gleichen Weg beschritten. Das Feindbild vom “bösen Russen” gegen das Feindbild von der bösen NATO und der betrügerischen EU…. Die Propagandamaschinerie der großen Machtblöcke läuft seit etwa 25 Jahren auf Hochtouren.
Doch der Propagandakrieg und die Regimechange Aktionen funktionieren nicht immer. Die Aufteilung der Welt in Einflussbereiche, wie schon im 19. Jahrhundert (z. B. auf dem Berliner Kongress), in letzter Zeit eher mit begrenzten Mitteln durchgeführt und wenn immer möglich mit den Interessierten verhandelt, wird heute in der Ukraine erneut mit militärischer Gewalt großen Ausmaßes durchgeführt.
Diese Aktionen sind aber meistens langfristig gesehen zum Scheitern verurteilt. Die NATO, die USA allein oder mit “den Willigen” hat im Irak, Afghanistan, Libyen, Somalia und Syrien, vor allem Chaos angerichtet und die Interventionen Russlands in den abtrünnigen Provinzen Georgiens und der Ukraine oder auch in Tschetschenien, haben nur den Hass gegen Russland gestärkt. Eine Tatsache, die den Ultrakonservativen Nationalisten und sogar den Neonazis (wie die ASOV-Miliz in der Ukraine) regen Zulauf brachte. Doch der Hass ist hier erwünscht. Es ist der Treibstoff der imperialen Kriegsmaschinerie und die Propaganda ist das Ladegerät. Wer von Ihnen, liebe Leser, kann den Hass auch schon spüren? Ist es der Hass auf die Nutznießer der neuen/alten Imperien oder spüren Sie einen allgemeinen Hass auf Russland, die USA, EU, Ukraine, auf Putin oder Zelensky? Wir spüren beim Anblick der Bilder von Krieg und Zerstörung auf jeden Fall Hass, was auch ganz normal ist. Doch der Hass sollte in die richtige Richtung gehen. Die Verantwortlichen dieser gierigen Meute müssen entmachten werden. Wir dürfen uns von ihnen nicht weiterhin aufeinander hetzen zu lassen.
Die Schatten der Vergangenheit beweisen es. Der Imperialismus, der Nationalismus und damit der Kapitalismus in seiner nationalegoistischen Form des Staatskapitalismus, führen die Menschen immer in Kriege, Putsche, gefälschte Revolutionen und Terrorismus.
In Gedanken bei den Menschen in diesem Krieg… Ukrainer und Russen. Gemeinsam für den Frieden. ☮️ 🇺🇦
Разом заради миру.
Вместе за мир.
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