Fora Temer – Flickr.com CC BY-SA 2.0 |
In einem offenen Brief schreibt die Journalistin des Observador, Ruth Manus, über die Gefühle der Brasilianer gegenüber ihrem „Präsidenten“ Michel Temer. Wie lange noch, wird ihn das korrupte System schützen? Welchen Preis bezahlt Brasilien, um die Räuberbande an der Macht zu halten?
Von Rui Filipe Gutschmidt
Brasiliens Politiker dürften zu den korruptesten Marionetten der Lobbyisten gehören. Aber vielleicht haben sie auch nur das Pech gehabt, besonders im Fokus zu stehen. Andererseits haben Brasiliens Politiker sich die Suppe auch selber eingebrockt, als sie im Wahlkampf 2014 mit Korruptionsvorwürfen gegeneinander nur so um sich warfen und das Volk aufstachelten gegen die Ex-Präsidentin Dilma Rousseff und deren linksgerichtete Partido do Trabalhador(PT), auf die Straße zu gehen.
Ruth Manus fragt in ihrem Beitrag, wie es möglich ist denen in die Augen zu schauen, die von ihrer Verkommenheit wissen, ohne rot zu werden. Wie machen es diese Leute nur? Wie schaffen sie es, in den Spiegel zu blicken und wie kann man weiter lügen und betrügen, obwohl alle wissen das man lügt und betrügt? Mit anderen Worten, wie kann man nur so unverschämt sein und sich weiter derart an die Macht klammern, obwohl man nicht länger willkommen ist und die breite Masse des Volkes einen hasst? Nun, Michel Temer und unzählige andere Politiker Brasiliens – und auch in aller Welt – können es!
Ja, die Brasilianer haben es satt. Nachdem die Staatsanwaltschaft mehr als genug Beweise zusammengetragen hat, um Brasiliens Interimspräsident, Michel Temer, zu verurteilen, sprach sich das Abgeordnetenhaus gegen ein Amtsenthebungsverfahren aus. Kein Wunder, denn Temer könnte viele der „hohen Herren“ gaaanz tief mit reinreiten. Also stimmte eine Mehrheit „im Namen der politischen Stabilität“ gegen ein Amtsenthebungsverfahren!
Bei Dilma Rousseff, Temers Vorgängerin, war es genau umgekehrt. Man konnte ihr keine Korruption nachweisen und beide Abgeordnetenkammern haben für ihre Amtsenthebung gestimmt. So wurde Vizepräsident Michel Temer, der damals schon unter Verdacht stand, ja erst zum Präsidenten Brasiliens. Diese Entscheidungen bringen die Volksseele zum kochen und führten zu scharfen Protesten. Allerdings nicht nur durch Brasiliens Linke, die seit den Vorwürfen gegen Dilma Rousseff auf der Straße sind und „Fora Temer“ (Temer raus) rufen.
Denn die Rechtskonservativen, die aus politisch-ideologischen Gründen bereit wahren an die Korruptionsvorwürfe gegen Dilma Rousseff zu glauben, wollten Neuwahlen und nicht einen Politiker, der selbst korrupt ist. Manche fordern sogar das Eingreifen des Militärs, nicht ahnend was sie damit heraufbeschwören. Die Anhänger von Temers Partei und anderer rechtskonservativer Parteien die Dilmas Sturz mit inszenierten, sind größtenteils Moralisten, Ultrareligiöse und Law-and Order Anhänger, für die es nichts schlimmeres gibt als einen käuflichen Politiker. Lange Zeit haben sie die Vorwürfe als „rote Propaganda“ abgetan und waren überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft gekauft ist.
Inzwischen halten weniger als 15 Prozent zu Brasiliens Präsident. Er selbst kam durch einen Juristenputsch an die Macht und dachte wohl er habe die Justiz auf seiner Seite. Aber falsch gedacht. Superrichter Sérgio Moro, vom Volk geliebt und gefeiert, hat sich vorgenommen der Korruption, die Unternehmen wie den Bauriesen Odebrecht oder die staatliche Ölgesellschaft Petrobras im Mittelpunkt einer der größten Skandale dieser Art hat, ein Ende zu setzen. Mag sein, dass er selber politische Ambitionen hat, aber das Volk auf der Straße kann die kaltschnäuzigen Ganoven, die das Land regieren und die Wirtschaft mit US-Hilfe beherrschen, nicht länger ertragen.
Es ist Michel Temer und all denen die ihn an der Macht halten natürlich völlig egal, was eine Journalistin in Portugal oder ein deutschsprachiges Onlinemagazin über sie schreiben. Auch wenn es im Sinne dessen ist, was das Volk denkt und vor allem fühlt, so ist Michel Temer anscheinend immun gegenüber dem, was alle anderen als Schamgefühl bezeichnen. Möglicherweise wartet er darauf, zum „Opfer eines Putschversuches“ zu werden, um dann die Linken und vielleicht sogar Venezuelas Präsidenten Nicolas Maduro verantwortlich zu machen und eine Intervention der OAS zu fordern. Brasiliens Bürger müssen aufpassen, um Michel Temer keinen Grund zu geben, den Ausnahmezustand zu verhängen und somit faktisch … zum Diktator zu werden.
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