1. Oktober: Wahltag in Portugal und Katalonien – Die Demokratie zieht Bilanz

Spanien / Portugal – Bild v. RF Gutschmidt CC BY 2.0
Die 90 Prozent Ja-Stimmen für die Unabhängigkeit Kataloniens kamen der Generalidad teuer zu stehen. Mindestens 900 Verletzte als Resultat des massiven Polizeieinsatzes sind aber vor allem für Madrid beschämend, da sie den Vorwurf der diktatorischen Unterdrückung Barcelonas nur bestätigen. In Portugal wiederum haben Städte- und Gemeinderatswahlen wieder einmal in einem Klima des Respekts stattgefunden. Ein Kontrast, der einem Demokraten zu denken gibt…
Von Rui Filipe Gutschmidt
Wahlen in Portugal finden fast immer in einem Klima des Respekts statt und die Demokratie wird als Errungenschaft gesehen, die es zu schützen gilt. Doch Wahlen sind nur ein Ausdruck dessen, was wir als Bürger für Vorstellungen und Wünsche haben, die mit dem Funktionieren der Gesellschaft zusammenhängen. Die gewählten Repräsentanten sind aber leider nur allzuoft ausschließlich an ihren eigenen Geschäften interessiert und so interpretieren sie „Demokratie“ nach dem Motto „Ihr gebt uns die Macht, jetzt machen wir was wir wollen!“
Während aber Spanien, wie die meisten Länder dieser Welt, nach diesem Motto regiert wird, hat Kataloniens Bevölkerung die Schnauze voll davon, bevormundet zu werden. Ja schlimmer noch ist die Gewalt, mit der die Polizei vorging, um jeglichen Versuch zu boykottieren, den „Willen des Volkes“ zu ermitteln. Bei den letzten Kundgebungen von Regierungschef Rajoy und selbst von König Philippe VI, wird der klar sichtbare und in die Welt hinausgeschriehene Wunsch von Millionen Katalanen missachtet. Als würden Carles Puigdemont und seine Regionalregierung die Unabhängigkeit ganz allein wollen. Als wäre mit zunehmender Repression die Sympathie und das Verständnis für den Wunsch nach Unabhängigkeit nicht gewachsen. Ja, Madrid ist selber schuld am Zuwachs der der Unabhängigkeitsbewegung. Wer will in einem Land leben, in dem grundlegende Bürgerrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit, das Versammlungs- und Demonstrationsrecht, ja kurz um, die (wahre) Demokratie mit den Füßen getreten wird?
Anders in Portugal. Hier haben die Bürger in den Städten und Gemeinden ihre Vertreter gewählt und, auch wenn es in vielen Gemeinden eher um das Vertrauen in die Person geht, die für das eine oder andere Amt kandidiert, so ist es trotzdem wichtig zu wissen für welche Politik die Partei oder die Liste der Kandidaten steht. So haben die Kandidaten der Regierungspartei PS auch die meisten Städte gewonnen und der PSD von Ex-Premierminister Passos Coelho fuhr die größte Niederlage bei Gemeindewahlen in Portugals noch junger Demokratie ein. Das liegt daran, dass die Menschen dem Linksbündnis nach den ersten zwei Jahren ihres Mandats vertrauen und vielen klar wurde, dass alles Gerede von Coelho und Co über „es gibt keine Alternative zu Schäubles Austeritätspolitik“ eine Lüge war.
Warum ist das wichtig? Weil in Portugal, in Katalonien, in Schottland oder auch in Brasilien, immer mehr Menschen verstehen, was „Demokratie“ wirklich sein sollte. KEINE Diktatur der Gewählten, KEINE Diktatur der Mehrheit und schon gar nicht die Diktatur des Geldes! Wir leben eine Lüge und wie bei allen Lügen, kommt die Wahrheit irgendwann ans Licht.
Die Gefahr aber, dass eine Lüge durch eine andere ersetzt wird, ist real, geschieht überall und wird solange geschehen, wie die Menschen ihr Heil bei „Führern“ und „Rettern“ suchen. Diese Versprechen, verführen und – nicht selten – versklaven ihre fanatisierten Anhänger, indem sie eine Hierarchie aufbauen, auf der sie ihr System gründen. Manchmal gibt es gut intensionierte Anführer, die diese ihnen überlassene Macht nutzen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Schritt für Schritt, in dem System – diesem unserem neoliberalen System – ist vielen aber nicht genug.
Nicht schnell genug! Denn man muss ohnmächtig miterleben, wie „die da oben“ schalten und walten, wie es ihnen gefällt. Jeder, der eine revolutionäre Lösung anbietet, die Wut über die Ungerechtigkeiten in Hass verwandelt, wer sich der primitivsten Gefühle des Menschen bedient und über diese dann, seine Ziele als den „Willen des Volkes“ präsentiert, ist ein Populist. Ein Opportunist, der auf der Welle der Politikverdrossenheit surft aber im Grunde genommen nur ein Stück vom Kuchen haben will. Klar das man damit nicht das System ändert, sondern nur einem Schwätzer dabei behilflich ist, auch einer von „denen da oben“ zu werden.

Da ist es doch besser, wie die Portugiesen, Schritt für Schritt für eine bessere Gesellschaft zu arbeiten? Die Katalanen können dies auch. Doch mit der Regierung Rajoy und einem Marionetten-König wird es schwer, für Kataloniens Regionalregierung Geduld zu zeigen und einen Dialog mit Spanien und der EU zu starten. Die Zukunft liegt in einem Europa, in dem die Bürger in einem direktdemokratischen System des Dialogs leben. Die Spanier und die Katalanen sollten verstehen, dass ein unabhängiges Katalonien die Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona nur verändern, nicht verschlechtern und vielleicht sogar verbessern werden. In diesem Sinne, Demokratie braucht seine Zeit.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*