Separatistische Bestrebungen sind durch die brasilianische Verfassung verboten und strafbar. Trotzdem organisiert eine südbrasilianische Gruppe eine Bewegung, um drei Bundesstaaten vom Bund zu trennen. Die „Wahlen“ finden am kommenden 8. Oktober statt, aber nicht jeder Zwanzigste weiß davon. Warum ist das so?
Von Noel Nascimento
Wie viele Sprachen spricht man in Lateinamerika? Auf die Frage antworten fast alle mit zwei. Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Englisch und Holländisch – so sollen es angeblich fünf sein. Die drei Guyanas haben die Franzosen, Engländer und Holländer eingenommen, als es dort nur Wald und Tiere gab und kein Schwein es merkte, dass sie dort landeten. Heute sind zwei davon unabhängig, das französische bleibt französischer Besitz. Die meisten Lateinamerikaner wissen nicht mal den Namen davon.
Mehrere Versuche dieser drei europäischen Mächte, sich südamerikanischer Ländereien zu bemächtigen, blieben seit der Entdeckungszeit erfolglos. Die ersten zwei, Portugal und Spanien, haben sich trotz aller Versuche der Franzosen und Holländer, die Atlantikküste mit Hilfe von einigen Ureinwohner-Stämmen zu besetzen, mit aller Kraft und Gewalt durchgesetzt. So blieb der Versuch vollkommen ohne Erfolg. Schon ab 1550 besetzten Franzosen die Bucht von Rio de Janeiro und die Holländer den Nordosten Brasiliens. Die Holländer wurden nach siebzigjähriger Besatzung und nach einer blutigen Schlacht aus Recife und Olinda vertrieben. Deren Anführer, Mauriz von Nassau, zog sich nach Nordamerika zurück und gründete New York (Neu Amsterdam).
In östlichen Gebieten erreichten die spanischen Kolonien durch Simon Bolivar ihre Unabhängigkeit. Bolivar träumte von einem Land, dass vom Norden bis ins südliche chilenische Patagonien und ins argentinische Feuerland reichen sollte. Nachdem er sich weigerte, aus humanitären und libertären Gründen, einige seiner Gegner zu erschießen und eine einheitliche Diktatur zu errichten, verlangten diese von ihm, die ersehnten Bankscheine mit der Bezeichnung „Zentralbank von England“ zu drucken. Auf seine Weigerung wurde Simon Bolivar kurz danach in eine Falle gelockt und getötet. Eine Version seines Todes erzählt, dass der Befreier der spanischen Länder in Südamerika an einer Erkrankung starb. Einige Jahre später zersplitterten sich Teile des bolivarianischen Kontinents in mehrere verschiedene Länder, die heute allgemein bekannt sind. Grenzen ergaben sich nach unterschiedlichen Kriegen.
Höchstwahrscheinlich ist es so, dass im portugiesischen Teil des Kontinents Brasilien einheitlich blieb weil Portugal als kleines Land auch immer einheitlich war. Wenige wissen, dass Lissabon bis zur Zeit des großen Erdbeben von 1756 die schönste und reichste Stadt Europas war. Die in sich ruhenden, mutigen Seefahrer bildeten auch kulturell eine in wesentlichen Punkten größere Einheit als die Spanier, auch seit der Zeit der maurischen Besatzung, gegen die alle zusammen gekämpft haben. Die Seefahrt wurde für die Portugiesen und ihre Kultur auch in der Literatur maßgebend. Das alles übertrug sich auf Brasilien. Einheitliches Denken. Es hat in Portugal ein Katalonien nie gegeben und es wäre dort nie möglich gewesen. In Brasilien auch nicht.
Trotz allem versuchen seit mehreren Jahrzehnten einige Gruppierungen den reichen Süden Brasiliens vom Ganzen zu trennen. Die Bundesländer Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul, die unterhalb des Wendekreises des Steinbocks liegen, bilden zusammen eine reichere industrialisierte Ecke die zu einem guten Teil von Einwanderer aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien, Ukraine, Polen, Russland und einigen anderen osteuropäischen Ländern abstammen.
Sie wanderten zum Großteil noch im 19. Jahrhundert und nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Heute macht dieser Teil Brasiliens eine Bevölkerung von fast zwanzig Millionen Menschen aus. Die Hauptstädte Curitiba, Florianopolis und Porto Alegre zusammen zählen zehn Millionen Menschen. Weil viele dieser Einwanderer zur Zeit des Endes der Sklaverei einwanderten, waren sie mit dieser Praxis, die die größte Schande des Landes ist – nicht vertraut. Abgesehen davon, wurden viele auch aus dem Grunde geholt, weil sie billige willige Arbeitskräfte waren, die sogar manche Sklavenarbeit ersetzen konnten. Die Einführung von Arbeitskräften von anderswo ist seit längerer Zeit eine alte Politik.
Denkt man an die Geschehnisse von Barcelona und Katalonien, kann man sich fragen, ob in einem Land wie Brasilien so was passieren könnte. Nicht einmal eine Million Menschen weiß darüber Bescheid, dass am 8. Oktober eine solche Abstimmung stattfinden soll. Diejenigen, die auf Grund der vielen Korruptionsskandale im ganzen Land jetzt eine Chance sehen, mit separatistischem Gelaber einige Mitbürger davon zu überzeugen, dass es für Südbrasilianer besser wäre, die drei reichen Bundesstaaten vom Bund zu trennen, scheinen nicht an die Konsequenzen davon zu denken. Sie scheinen auch die Geschichte nicht zu kennen oder sie wollen diese absichtlich nicht wahrnehmen. Als Folge davon könnte das reichste Bundesland, Sao Paulo, sich auch für unabhängig erklären. Der Rest bliebe dann seinem Glück überlassen. Das Amazonasgebiet und die Ölreserven im Ozean würden im Streit zwischen den Teilen ohne Besitzer bleiben, während die großen Brüder im Norden die sowieso die achtzig Seemeilen Brasiliens nicht anerkennen, sich die Hände reiben würden.
Durch die ehemaligen korrupten Alliierten der sozialistischen Regierung wurde ein neoliberales Programm durchgesetzt. Der Weltkonzern Shell hat sich schon gute Anteile der brasilianischen Petrobras gekauft, welche die beste Technologie auf hoher See besitzt.
Die Militärs in Brasilien bestehen auf die Einheit des Territoriums und schwören darauf. Ihre Bemühungen darum sind groß und ihre große Liebe fürs eigene Land, vom Amazonas bis zum südlichen Rio Grande, ist unermesslich. Interessanterweise wurden letztlich durch die neue neoliberale Regierung die Erneuerungsprogramme der Marine, Luftwaffe und Heer still gelegt.
Die vierte amerikanische Flotte wurde 2012 wieder ins Leben gerufen und erweckt in manchen Kreisen misstrauen, da diese „Südatlantik-Flotte“ heißt. Natürlich werden die USA Brasilien nicht angreifen. Das wäre sehr dumm. Die ganzen südamerikanischen Länder als Feinde zu haben wäre keine gute Idee. Und es gibt andere Mittel, um ein Land zu unterjochen wenn dieses finanziell und politisch nicht vollkommen abhängig ist. Die Banken machen das schon. Die korrupten Politiker erfüllen ihre kooperierende Aufgabe dann schon fast wie von alleine. Dabei bleiben die Schwächeren immer auf der Strecke, wie die Indios und die Einwohner der Favelas in den Städten.
Da kann man sich wirklich fragen, welche Folgen und welchen Einfluss die Geschehnisse in Katalonien auf südamerikanischen Dummköpfe haben kann. Ob es auch zu diesem Zweck gefördert wurde, kann dahin gestellt bleiben. Hauptsache, die meisten Brasilianer – und vor allem die Südbrasilianer – wissen nichts davon, denn in diesem Gebiet liegt das größte unterirdische Trinkwasserreservoir der Erde, das sogenannte Aquifero Guarany, das auch Teile Paraguays, Uruguays und Argentiniens umfasst.
Mehrere Versuche dieser drei europäischen Mächte, sich südamerikanischer Ländereien zu bemächtigen, blieben seit der Entdeckungszeit erfolglos. Die ersten zwei, Portugal und Spanien, haben sich trotz aller Versuche der Franzosen und Holländer, die Atlantikküste mit Hilfe von einigen Ureinwohner-Stämmen zu besetzen, mit aller Kraft und Gewalt durchgesetzt. So blieb der Versuch vollkommen ohne Erfolg. Schon ab 1550 besetzten Franzosen die Bucht von Rio de Janeiro und die Holländer den Nordosten Brasiliens. Die Holländer wurden nach siebzigjähriger Besatzung und nach einer blutigen Schlacht aus Recife und Olinda vertrieben. Deren Anführer, Mauriz von Nassau, zog sich nach Nordamerika zurück und gründete New York (Neu Amsterdam).
In östlichen Gebieten erreichten die spanischen Kolonien durch Simon Bolivar ihre Unabhängigkeit. Bolivar träumte von einem Land, dass vom Norden bis ins südliche chilenische Patagonien und ins argentinische Feuerland reichen sollte. Nachdem er sich weigerte, aus humanitären und libertären Gründen, einige seiner Gegner zu erschießen und eine einheitliche Diktatur zu errichten, verlangten diese von ihm, die ersehnten Bankscheine mit der Bezeichnung „Zentralbank von England“ zu drucken. Auf seine Weigerung wurde Simon Bolivar kurz danach in eine Falle gelockt und getötet. Eine Version seines Todes erzählt, dass der Befreier der spanischen Länder in Südamerika an einer Erkrankung starb. Einige Jahre später zersplitterten sich Teile des bolivarianischen Kontinents in mehrere verschiedene Länder, die heute allgemein bekannt sind. Grenzen ergaben sich nach unterschiedlichen Kriegen.
Höchstwahrscheinlich ist es so, dass im portugiesischen Teil des Kontinents Brasilien einheitlich blieb weil Portugal als kleines Land auch immer einheitlich war. Wenige wissen, dass Lissabon bis zur Zeit des großen Erdbeben von 1756 die schönste und reichste Stadt Europas war. Die in sich ruhenden, mutigen Seefahrer bildeten auch kulturell eine in wesentlichen Punkten größere Einheit als die Spanier, auch seit der Zeit der maurischen Besatzung, gegen die alle zusammen gekämpft haben. Die Seefahrt wurde für die Portugiesen und ihre Kultur auch in der Literatur maßgebend. Das alles übertrug sich auf Brasilien. Einheitliches Denken. Es hat in Portugal ein Katalonien nie gegeben und es wäre dort nie möglich gewesen. In Brasilien auch nicht.
Trotz allem versuchen seit mehreren Jahrzehnten einige Gruppierungen den reichen Süden Brasiliens vom Ganzen zu trennen. Die Bundesländer Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul, die unterhalb des Wendekreises des Steinbocks liegen, bilden zusammen eine reichere industrialisierte Ecke die zu einem guten Teil von Einwanderer aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien, Ukraine, Polen, Russland und einigen anderen osteuropäischen Ländern abstammen.
Sie wanderten zum Großteil noch im 19. Jahrhundert und nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Heute macht dieser Teil Brasiliens eine Bevölkerung von fast zwanzig Millionen Menschen aus. Die Hauptstädte Curitiba, Florianopolis und Porto Alegre zusammen zählen zehn Millionen Menschen. Weil viele dieser Einwanderer zur Zeit des Endes der Sklaverei einwanderten, waren sie mit dieser Praxis, die die größte Schande des Landes ist – nicht vertraut. Abgesehen davon, wurden viele auch aus dem Grunde geholt, weil sie billige willige Arbeitskräfte waren, die sogar manche Sklavenarbeit ersetzen konnten. Die Einführung von Arbeitskräften von anderswo ist seit längerer Zeit eine alte Politik.
Denkt man an die Geschehnisse von Barcelona und Katalonien, kann man sich fragen, ob in einem Land wie Brasilien so was passieren könnte. Nicht einmal eine Million Menschen weiß darüber Bescheid, dass am 8. Oktober eine solche Abstimmung stattfinden soll. Diejenigen, die auf Grund der vielen Korruptionsskandale im ganzen Land jetzt eine Chance sehen, mit separatistischem Gelaber einige Mitbürger davon zu überzeugen, dass es für Südbrasilianer besser wäre, die drei reichen Bundesstaaten vom Bund zu trennen, scheinen nicht an die Konsequenzen davon zu denken. Sie scheinen auch die Geschichte nicht zu kennen oder sie wollen diese absichtlich nicht wahrnehmen. Als Folge davon könnte das reichste Bundesland, Sao Paulo, sich auch für unabhängig erklären. Der Rest bliebe dann seinem Glück überlassen. Das Amazonasgebiet und die Ölreserven im Ozean würden im Streit zwischen den Teilen ohne Besitzer bleiben, während die großen Brüder im Norden die sowieso die achtzig Seemeilen Brasiliens nicht anerkennen, sich die Hände reiben würden.
Durch die ehemaligen korrupten Alliierten der sozialistischen Regierung wurde ein neoliberales Programm durchgesetzt. Der Weltkonzern Shell hat sich schon gute Anteile der brasilianischen Petrobras gekauft, welche die beste Technologie auf hoher See besitzt.
Die Militärs in Brasilien bestehen auf die Einheit des Territoriums und schwören darauf. Ihre Bemühungen darum sind groß und ihre große Liebe fürs eigene Land, vom Amazonas bis zum südlichen Rio Grande, ist unermesslich. Interessanterweise wurden letztlich durch die neue neoliberale Regierung die Erneuerungsprogramme der Marine, Luftwaffe und Heer still gelegt.
Die vierte amerikanische Flotte wurde 2012 wieder ins Leben gerufen und erweckt in manchen Kreisen misstrauen, da diese „Südatlantik-Flotte“ heißt. Natürlich werden die USA Brasilien nicht angreifen. Das wäre sehr dumm. Die ganzen südamerikanischen Länder als Feinde zu haben wäre keine gute Idee. Und es gibt andere Mittel, um ein Land zu unterjochen wenn dieses finanziell und politisch nicht vollkommen abhängig ist. Die Banken machen das schon. Die korrupten Politiker erfüllen ihre kooperierende Aufgabe dann schon fast wie von alleine. Dabei bleiben die Schwächeren immer auf der Strecke, wie die Indios und die Einwohner der Favelas in den Städten.
Da kann man sich wirklich fragen, welche Folgen und welchen Einfluss die Geschehnisse in Katalonien auf südamerikanischen Dummköpfe haben kann. Ob es auch zu diesem Zweck gefördert wurde, kann dahin gestellt bleiben. Hauptsache, die meisten Brasilianer – und vor allem die Südbrasilianer – wissen nichts davon, denn in diesem Gebiet liegt das größte unterirdische Trinkwasserreservoir der Erde, das sogenannte Aquifero Guarany, das auch Teile Paraguays, Uruguays und Argentiniens umfasst.
dtv-Atlas zur Weltgeschichte 1977 |
Die vierte amerikanische Flotte wurde 2012 wieder ins Leben gerufen und erweckt in manchen Kreisen misstrauen, da diese „Südatlantik-Flotte“ heißt. Natürlich werden die USA Brasilien nicht angreifen. Das wäre sehr dumm. Die ganzen südamerikanischen Länder als Feinde zu haben wäre keine gute Idee. Und es gibt andere Mittel, um ein Land zu unterjochen wenn dieses finanziell und politisch nicht vollkommen abhängig ist. Die Banken machen das schon. Die korrupten Politiker erfüllen ihre kooperierende Aufgabe dann schon fast wie von alleine. Dabei bleiben die Schwächeren immer auf der Strecke, wie die Indios und die Einwohner der Favelas in den Städten.
Da kann man sich wirklich fragen, welche Folgen und welchen Einfluss die Geschehnisse in Katalonien auf südamerikanischen Dummköpfe haben kann. Ob es auch zu diesem Zweck gefördert wurde, kann dahin gestellt bleiben. Hauptsache, die meisten Brasilianer – und vor allem die Südbrasilianer – wissen nichts davon, denn in diesem Gebiet liegt das größte unterirdische Trinkwasserreservoir der Erde, das sogenannte Aquifero Guarany, das auch Teile Paraguays, Uruguays und Argentiniens umfasst.
Da kann man sich wirklich fragen, welche Folgen und welchen Einfluss die Geschehnisse in Katalonien auf südamerikanischen Dummköpfe haben kann. Ob es auch zu diesem Zweck gefördert wurde, kann dahin gestellt bleiben. Hauptsache, die meisten Brasilianer – und vor allem die Südbrasilianer – wissen nichts davon, denn in diesem Gebiet liegt das größte unterirdische Trinkwasserreservoir der Erde, das sogenannte Aquifero Guarany, das auch Teile Paraguays, Uruguays und Argentiniens umfasst.
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