Die Hybris Israels

Buch-Cover Arn Strohmeyer - Die israelisch-jüdische Tragödie

Arn Strohmeyer: „Die israelisch-jüdische Tragödie. Von Auschwitz zum Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende der Verklärung“

Bring das mal auf den Punkt: Einerseits bricht Israel im Sinne der Ideologie des Zionismus fortlaufend das Völkerrecht gegenüber den Palästinensern, andererseits wird jegliche Kritik daran als Antisemitismus, also als Hetze gegen Juden, aufgefasst und verfolgt, vor allem durch die deutsche Bundesregierung und die Israel Lobby. Dabei ist doch sonnenklar: Das deutsche Kapital fühlt sich als Beschützer des israelischen Imperialismus. Eine Hydra hackt der anderen doch kein Auge aus, zumal es dabei auch stets um Riesengeschäfte geht.
 
Buchtipp von Harry Popow – 04. Februar 2018
 
Ein heißeres Eisen kann es kaum geben: Von der israelisch-jüdischen Tragödie ist die Rede im Buch von Arn Strohmeyer mit dem Untertitel „Von Auschwitz zum Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende einer Verklärung.“ Ohne langes Rätselraten: Wir haben es im Verhältnis zum Holocaust, zu Israel, zum Antisemitismus und zum Zionismus und damit zum Lügenberg über die Ursachen dieser Konflikte mit einer mehrfachen Tragödie zu tun. Das ist der Konflikt Israel-Palästina, die Verurteilung eines falsch verstandenen Antisemitismus durch die BRD-Regierung, die Verschleierung der ökonomischen Ursachen in der Politik sowie die Verdummung der Leser, indem die Schuld am Holocaust schlechthin den Deutschen zugeschoben wird statt dem deutschen Kapital mit Hilfe der Nationalsozialisten. So heißt es auf Seite 235: „Es ist nur als tragisch zu bezeichnen, dass Deutschland die Tragödie des Zionismus gar nicht wahrnimmt und entsprechende politische Folgerungen daraus zieht.“ Und nun wird sogar ein Beauftragter im Kampf gegen den Antisemitismus in den Ministersessel torpediert, ein Beweis mehr für das Unvermögen, Realitäten anzuerkennen und den Kapitalismus zu vernebeln.
 
Desto dringender ist, der Volksverdummung um des Friedens willen Paroli zu bieten. So, wie das Evelyn Hecht-Galinski, Uri Avnery, Petra Wild und Fariss Wogantzi sowie andere Publizisten in ihren kritischen Sachbüchern bereits getan haben. Und nun also Arn Strohmeyer. Es geht im Grunde genommen um Krieg und Frieden in Nah-Ost, um Menschenrechte und bewusst gebrochenes Völkerrecht. In 6 Kapiteln und 14 Abschnitten entlarvt der Autor außerordentlich akribisch und mit zahlreichen Beispielen belegt das völkerrechtswidrige Vorgehen Israels gegenüber den Palästinensern.
 
Massaker ohne Ende…
 
Wer von den Nutzern der bürgerlichen „Qualitätsmedien“ wurde darüber informiert: Dass in der Zeit der Nakba und des israelisch-arabischen Krieges 1948/49 sowie im Juni-Krieg von 1967 die Zionisten 78 Prozent Palästinas in Besitz genommen hatten? (S. 9) Dass Israel in den besetzten Gebieten foltert, mordet, willkürlich inhaftiert, grundlegende Menschenrechte und politische, kulturelle und wirtschaftliche Teilhabe beschneidet? (S. 129) Dass sich die Willkür der Kolonialherren in Häuserzerstörungen, Landraub, bürokratische Schikanen, Verbannung in Reservate hinter Mauern und Zäunen sowie permanente Razzien und Verhaftungen – oft ohne Prozess – niederschlägt? (S. 201) Dass Israel rund 94 Prozent Palästinas mit dem „Schwert“, also mit Gewalt erobert hat? (S. 205)
 
Das israelische Herrenvolk, so der Autor auf Seite 12, berufe sich „auf Grund seiner alten Kultur, seiner europäischen Herkunft und der Leiden, die es in seiner Geschichte durchgemacht hat, auf seinen privilegierten Status“ und habe mit seinem über ein anderes Volk errichteten Besatzungsregime jede moralische Orientierung verloren. Aus den Verfolgten von einst (Holocaust) seien brutale Täter geworden. Auf den Seiten 205/206 ergänzt der Autor: „Die Ursachen des Konflikts mit den Arabern beziehungsweise den Palästinensern (…) werden nicht in der eigenen Politik (Kriegs-, Siedlungs-, Eroberungs- oder Vertreibungspolitik) gesehen, sondern ausschließlich in der ´Feindseligkeit´ und in der Mentalität der ´Anderen´.“ Der zionistischen Ideologie nach seien Araber grundsätzlich feindselig und nicht friedensfähig. So schaffe sich Israel durch Entpolitisierung und Dämonisierung selbst ein Feindbild und erklärt sich dabei als Opfer, was eine Konfliktlösung unmöglich erscheinen lässt.
 
Religiöser Machtanspruch
 
Stellt sich auch hier die Frage, ob die Öffentlichkeit über die Hintergründe und Erscheinungsformen des Zionismus aufgeklärt ist? Arn Strohmeyer lotet tief aus, indem er auf die Entstehungsgeschichte des Zionismus eingeht. Zunächst stellt er auf Seite 68 klar, Judentum und Zionismus sind nicht dasselbe. Während das erstere eine Religion ist, eine kulturelle Gemeinschaft, so ist der Zionismus „eine nationalistische Ideologie, die aber (ob zu Recht sei dahingestellt) für sich in Anspruch nimmt, für das ganze Judentum zu sprechen“, die Israels Staatsideologie ist. Dem entgegengesetzt, so schreibt der Autor auf Seite 194, steht ein Teil des Judentums auf dem Standpunkt der Alternative eines Universalismus, der sich somit im Einklang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte befindet. „Die Zionisten entschieden sich aber klar gegen den Universalismus und für die konservativ-nationalistische Richtung, was aber auch Absonderung und Isolation bedeutet“, so der Autor auf Seite 195. Es gehe im Grunde auch um die Trennung zwischen Juden und Nicht-Juden, die sich durch die ganze jüdische Geschichte zieht. Auf Seite 70 findet der interessierte Leser viele Argumente gegen die Behauptung der zionistischen Bewegung, ihren Anspruch auf Palästina absichernd, „dass die Juden, die sich gegen die römische Besatzung erhoben hatten, 70 n.u.Z bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer vertrieben worden seien und nun nach 2000 Jahren wieder in `ihr´ Land zurückkehren würden“.
 
Sackgassenpolitik Israels
 
Noch einmal: Es geht nicht gegen Juden schlechthin, nicht um scharf zu verurteilenden Rassismus, sondern um die Ideologie des Zionismus, der völkerrechtswidrigen kapitalistischen Herrschaft über Palästina. Eine wesentliche Aussage über den Nah-Ost-Konflikt findet der Leser bereits auf Seite 5, indem folgendes Zitat von Professor Dr. Udo Steinbach, deutscher Islamwissenschaftler, wiedergegeben wird: „Der Nahe Osten ist immer noch nach den Vorstellungen des Kolonialismus und Imperialismus organisiert. Israel ist ein anachronistisches Relikt des Kolonialismus und des Imperialismus. Im Nahen Osten findet ein 30jähriger Krieg statt, aber die `neue Ordnung` wird kommen. Sie wird den Nahen Osten verändern – auch die Beziehung Europas zum Nahen Osten. Das wird auch Israel miteinbeziehen – das gegenwärtige System dort ist nicht haltbar.“
 
Moshe Zuckermann zitierend, wird auf Seite 116 festgestellt, die Ideologie Israels – des Zionismus – ist eine der permanenten Gewalt, Israel habe sich bis heute nicht in die Staatengemeinschaft des Nahen Ostens integriert, es „ist ein Fremdkörper in der Region geblieben – eine waffenstarrende Festung in einer `feindlichen` Umwelt. Und auf Seite 120 wird konstatiert: „Dieser Staat ist nicht der Staat aller seiner Bürger, sondern nach zionistischem Verständnis aller Juden auf der Welt, also einer übernationalen Religionsgemeinschaft, die sich als Ethnie versteht.“ Eine totale Perversion: Das offizielle Israel lehne die Einhaltung von Menschenrechten und Völkerrecht in Worten und Taten ab, denn sie gehören nicht zur jüdischen Identität, so zu lesen auf Seite 175. Was das bedeutet? Für Europa und speziell für Deutschland?: „Wer nicht bereit ist, Israels partikularistischen und äußerst aggressiven Sonderweg der Abkapselung, Trennung und Isolation mit all den politischen Folgen (…) mitzutragen und Israel universalistisch vom Standpunkt des Völkerrechts und der Menschenrechte aus beurteilt, ist nach israelischem Verständnis (und dem seiner Lobby) ein „Antisemit“. Damit werden aber nicht Juden geschützt, sondern eine verbrecherische Politik. (S. 178)
 
Holocaust als Motiv
 
Es ist nicht verwunderlich, dass die israelische Staatsideologie, der Zionismus, den Holocaust „zur Rechtfertigung ihrer politischen und militärischen Ziele instrumentalisiert“ haben. (S. 28) Das diene dem permanenten Schüren von Angst und Panik vor einem neuen Holocaust, der Rechtfertigung der militärischen Stärke und der gewaltsamen Unterdrückung der Palästinenser, denen man unterstellt, die neuen Nazis zu sein und schließlich Kritiker gegenüber dem Staat zum Schweigen zu bringen. (S. 28/29) Vor allem genügte es der zionistischen Politik nicht, die Erinnerung an die Ermordeten „im westlichen Bewusstsein“ wachzuhalten, so der israelische Historiker Shlomo Sand, sie beanspruchte Einzigartigkeit, die nationale Verfügungsgewalt über den Schmerz, um „aus ihm so viel politisches Prestige und sogar wirtschaftliches Kapital zu schlagen, wie nur möglich“. „Deshalb wurden nach und nach alle anderen Opfer ausgeblendet, und der Genozid geriet zu einer ausschließlich jüdischen Angelegenheit. Auch jeder Vergleich mit anderen Völkermorden war von nun an untersagt“. (S. 37)
 
 
 
Wenn das Geschäft lockt…
 
Wenn also der deutsche Leser vor dem Antisemitismus gewarnt wird, da doch „die eigene Schuld“ dazu verpflichtet, dann ist das ohne Zweifel nicht nur – wie üblich – die Verklärung der faschistischen Verursacher von Krieg und Holocaust, sondern auch die Inkaufnahme von Kriegsverbrechen des imperialistischen Staates Israel gegenüber dem palästinensischen Volk und damit die Legitimierung von Verstößen gegen die Menschenrechte und gegen das Völkerrecht. Auf Seite 209 formuliert der Autor das Einknicken der deutschen Politik vor den Verbrechen Israels mit folgender Einschätzung: „Jede Kritik an diesem Kurs wird als Antisemitismus abgeschmettert. Nicht Israels barbarische Politik steht also am Pranger, sondern der Kritiker, der warnt und Humanität einfordert. Der denunziatorische Antisemitismus-Vorwurf ist die letzte ideologische Schutzmauer, die dieser Staat neben der realen Mauer um sich baut, um einen Zustand zu retten, der auf Dauer nicht zu retten ist.“
 
Umkehr vonnöten
 
 
 
Nicht zu retten? Ohne Zweifel hat sich Israel, wie auf Seite 312 zu lesen, „in eine politische Sackgasse manövriert, da die Zwei-Staaten-Lösung durch „Israels Unnachgiebigkeit, das Land zu teilen, und seine fortgesetzte Siedlungspolitik unmöglich geworden ist, bleibt nur die Ein-Staaten-Lösung, bei der die Palästinenser aber den größeren Bevölkerungsanteil stellen würden“. Das würde aber zu der Bildung eines – vermutlich diktatorischen – Apartheidstaates führen, so der Autor. Er mahnt eine Umkehr an, die aber „zur Zeit wegen der herrschenden Machtverhältnisse und der politischen Verblendung der Bevölkerung undenkbar ist“. Ziel sei ein säkularer demokratischer Staat, in dem Juden und Palästinenser gleichberechtigt leben können. Nur so sei der Frieden möglich. (S. 220)
 
Arn Strohmeyer hat mit seinem gut lesbarem und reich argumentativen Buch weiter den Weg zu einem besseren Verständnis der israelisch-jüdischen Tragödie den Weg geebnet. Klar kommt der Zusammenhang zwischen kapitalistischen Machtansprüchen und der Abwehr von „Angriffen“ im Interesse der Menschenrechte und des Völkerrechts mit dem Vorwurf des Antisemitismus zum Tragen. Das ist umso wichtiger, da es hier, wie gesagt, um Krieg und Frieden nicht nur im Nahen Osten, sondern auch um den Weltfrieden geht. Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Zitate von Persönlichkeiten von Politik und Kultur, selbstverständlich auch von israelischen Prominenten. Im Anhang befinden sich zudem zahlreiche Beispiele der Massaker Israels gegenüber den Palästinensern. Wenn diese so wichtige politische Lektüre – wie gehabt – von der Lügenpresse nicht so recht wahrgenommen wird, dann ist die Forderung nach politisch gänzlich anderen gesellschaftlichen Verhältnissen auch und besonders angemahnt. Die Hybris Israels – sie muss im Namen des Friedens auf den Boden der Realität geholt werden.

 

Arn Strohmeyer: Die israelisch-jüdische Tragödie. Von Auschwitz zum Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende der Verklärung, Taschenbuch: 280 Seiten, Verlag: Schäfer, Gabriele Schäfer Verlag Herne; Auflage: 1 (13. Dezember 2017), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3944487575, ISBN-13: 978-3944487571, 19,90 Euro

 

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