Das Leben der Frauen in Portugal war weitestgehend ein Leben in der klassischen Rolle der Hausfrau und Mutter. Dabei hatten sie bei weitem nicht die selben Rechte, wie die Männer. Meine Mutter kam 1961 aus Deutschland in ein Land, dass mindestens 50 Jahre in seiner Entwicklung zurück lag.
Rui Filipe Gutschmidt 07. März 2018
Die Frauen hatten in der Geschichte der Menschheit einen schweren Stand. In der Zeit, in der körperliche Stärke darüber entschied, wer das Sagen hat, waren Männer im Vorteil. Die meisten archaischen Kulturen sind daher patriarchaisch und Religionen, Bräuche und Gesetze halten Männer nach wie vor an der Macht. Doch im laufe der Jahrhunderte hat sich die Stellung der Frauen geändert. Physische Stärke hat längst nichts mehr damit zu tun, ob jemand eine führende Position in der Gesellschaft hat und die großen Kriege des 20. Jahrhunderts haben Frauen eine wichtige Rolle beim Funktionieren der Gesellschaft übertragen.
In Portugals Journal de Noticias las ich heute, dass in Portugal inzwischen jede dritte Firma von Frauen geleitet wird. Das ist aber nicht sonderlich aussagekräftig, da es bei den großen Unternehmen noch immer eine Seltenheit ist, eine Frau im Chefsessel zu sehen oder in einer Führungsposition anzutreffen. Portugal ist ein Land, dass diesbezüglich eine Entwicklung durchmachte, die manchen zwar als Modell dienen könnte, aber bei der die Mentalität teilweise noch weit hinterherhinkt. Dazu sollte man zunächst wissen wie es in Portugal vor der Nelkenrevolution 1974 aussah.
Das Leben von Portugals Frauen vor dem 25. April 1974
Ich war noch ein Baby, als meine Mutter Portugal verließ und mit mir und meinen 7 und 8 Jahre alten Geschwistern nach Deutschland ging. Mein Vater hatte eine Geliebte, was im Portugal der 60er Jahre nicht weiter ungewöhnlich war. Eine Ehefrau hatte „wegzuschauen“, so zu tun als wüsste sie von nichts und die Fassade aufrecht zu halten. Meine Mutter erzählte mir von der Zeit, in der das Gesetz des „Estado Novo“ – die imperialistische Diktatur Portugals – einem Ehemann fast uneingeschränkte Macht über seine Gattin gab. Eine Frau durfte nicht ohne Mann verreisen, größere Anschaffungen tätigen oder den Führerschein machen, ohne die schriftliche Genehmigung ihres Ehegatten.
Katholizismus, Patriotismus, Machismos – Die Trilogie des weiblichen Leidens
Das Portugal vor 1974 war in der Vergangenheit gefangen. Die Regierung unter Diktator Salazar stützte sich auf eine Moral, die auf Familie, Religion und Nationalismus beruhten. Dabei war die Rolle der Frau, die klassische Rolle der Hausfrau und Mutter. Bei den ärmeren Familien gingen meistens nur die Jungen in die Schule – wenn überhaupt – während Mädchen der Mutter im Haushalt und auf dem Feld helfen. Die Analphabetenrate war hoch, sogar sehr hoch und besonders schlimm bei der weiblichen Bevölkerung. „Bildung“ gab es in der Sonntagsschule und in der Kirche.
Der katholische Glauben ist weit verbreitet und die Portugiesen sind aus gutem Grund sehr gläubig. Ein hartes, desolates Arbeiterleben, bei dem die Todesgefahr immer präsent sind, bringt die Menschen dazu auf ein besseres Leben im Jenseits zu glauben. Die Welt der Katholiken war besonders in dieser Zeit, vor der Revolution, eine Welt der Traditionen. Frauen hatten – und haben anderenorts noch immer – nichts zu sagen. Doch meine Mutter erzählte mir noch mehr.
Die Doppelmoral dieser Gesellschaft bei der Frauen als „Jungfrau in die Ehe gehen mussten – und wenn man dafür das Jungfernhäutchen wieder annähen muss… Eine Schwangerschaft vor der Ehe führte dazu, dass der Vater die „entehrte Frau/Mädchen“ heiraten musste. Dabei wurden Ehen geschlossen die erzwungen waren und daher selten gut gehen konnten. So meinte meine Mutter, dass „Bis das der Tod euch scheidet“ nur all zu oft wörtlich genommen wurde. Männer, die ihre Frau ermordeten hatten keine allzu hohen Strafen zu erwarten oder gingen sogar straffrei aus, wenn die Frau eine Affäre hatte und der Mann sich in seiner Ehre gekränkt fühlte.
Der Krieg, den Portugal gegen Rebellen in den afrikanischen Kolonien führte, brachte sehr viele psychisch labile Männer hervor. Wieder bei Frau und Kindern wurden viele ehemalige Soldaten gewalttätig, ertränkten ihren Kummer im Alkohol und wurden somit zu tickenden Zeitbomben. Ein Spruch von damals lautet: „Zwischen Mann und Frau stecke nicht den Löffel“ Also man soll sich raushalten, nicht die Nase in die Angelegenheiten von Ehepaaren stecken. Das Männer ihre Frauen schlugen war also nicht nur häufig, sondern wurde als eher normal angesehen.
Und wie sieht es heute aus?
Heute ist vieles anders. Frauen sind in den schulischen Leistungen besser, da Mädchen dazu erzogen werden viel zu lernen und weil sie häuslicher sind. Wenn ein Junge bis um Mitternacht zuhause sein muss, dann muss ein gleichaltriges Mädchen um 22 Uhr daheim sein. Ein Protektionismus der oft übertriebenwird. Aber die katholische Moral ist nicht mehr so rigoros, die Bildung allgemein ist viel besser und so ändert sich auch die Rolle der Frau, die vor allem in urbanen Gegenden völlig emanzipiert ist.
In der Politik, im öffentlichem Dienst und teilweise in der Wirtschaft, liegt der Anteil der Frauen zwischen 35 und 55 Prozent. Doch leider ist Gewalt gegen Frauen noch immer an der Tagesordnung. Auch Morde an Frauen – vom Ehemann, Ex-Mann, geliebten und dergleichen – geschehen nach wie vor und die Mentalität muss – vor allem im ländlichen Raum – sich noch stark ändern. Auf mittlere Sicht werden nicht nur Gewalt und Morde an Frauen, Kindern und in der Familie allgemein, einer längst verblassenden Erinnerung angehören, sondern auch in Sachen Kariere, Lohngleichheit, Chancengleichheit werden Frauen und Männer auf der selben Stufe stehen.
Der sogenannte „Genderwahn“ ist in Portugal ein Fremdwort. Im Sprachgebrauch jedes mal ein „…/innen“ an ein Wort zu hängen hilft keiner misshandelten Frau, verhindert keine Morde und sorgt eher noch für eine Fanatisierung der Ultrakonservativen, die sich wünschen, dass es die Nelkenrevolution nie gegeben hätte. Diese ewig gestrigen Anhänger des Faschismus haben aber keine Chance und die Zukunft wird Frauen und Männer auf die gleiche Ebene stellen.
Hier ein weiterer Bericht zum Weltfrauentag – 8. März – Gewalt gegen Frauen und Machismus in Lateinamerika:
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