Nachdem sich Premierministerin Mays schlimmster Albtraum bestätigt hat, öffnet sich wieder eine Tür für die Brexit-Gegner. Aber auch die Hardliner erhoffen sich jetzt einen radikalen Schnitt in den Beziehungen zur EU. Wie geht es jetzt weiter?
Rui Filipe Gutschmidt – 16. Januar 2019
Gleich nach der Abstimmung fegte ein Rauschen durch den Blätterwald und bei unzähligen Bürgern, die alle nur am Rand begreifen welche Auswirkungen das so gepriesene „Scheidungsabkommen“ zwischen Briten und EU hat, keimte Hoffnung auf. Viele Abgeordnete gaben ihre Stimme für die Menschen in ihrem Wahlkreis und nicht für ihre Partei und so erklärt sich das desaströse Ergebnis für PM Theresa May und ihre konservative Regierung: 202 für und 432 gegen den Brexit-Deal.
Immer wieder demonstrieren die „Remain“ (bleiben) Befürworter gegen den Brexit. Eine Mehrheit der Briten ist inzwischen dagegen, da sie merken wie sehr sie hinters Licht geführt wurden. Doch ist die Hoffnung auf ein neues Referendum begründet? Theresa May hat jetzt theoretisch 3 Tage um dem Parlament einen Plan B vorzulegen, doch die größte Oppositionspartei (Labor) hat einen Misstrauensantrag gestellt, der heute im Unterhaus diskutiert wird.
Wenn der Regierung das Misstrauen ausgesprochen wird, dann stürzt Theresa May und Neuwalen werden folgen. Jeremy Corbyn, der Vorsitzende der Mitte-Links einzuordnenden Labor-Party (Arbeiterpartei) könnte bei diesen Neuwahlen ein neues Referendum versprechen, was seine Chancen auf den Premierministerposten angesichts der Stimmung im Land sicher verbessern würde. Doch er ist bekannt dafür selbst ein Euroskeptiker zu sein, wodurch man ihm sicher Opportunismus vorwerfen würde.
Theresa May ihrerseits gibt sich offiziell als pro-europäisch, verhält sich aber nicht so. Stur hält sie daran fest, dass sie den „Willen des Volkes“ zu befolgen habe. Sie wäre an ihre demokratische Pflicht gebunden, um das vom Volk gegebene Mandat umzusetzen. Dabei würde sie alles tun, um den besten Deal für Großbritannien zu verhandeln. Doch eben dieser wurde gestern vom Parlament abgelehnt. Im Übrigen ist Mays „Europäismus“ in meinen Augen nur eine Farce, denn sie weiß genau, dass eine große Mehrheit inzwischen in der EU bleiben möchte.
Die Hardliner ihrerseits wollen raus aus der EU, koste es was es wolle. Sie verfolgen ganz eigene Interessen, die meist nichts mit Unabhängigkeit, Sicherheit der Grenzen oder übermäßige Migration zu tun haben. Es sind EU-Regelungen wie die Fischereirechte, Umweltauflagen, Verbraucherschutz oder Hürden beim Export (Waffen, Technologie) und Import (Zölle auf Produkte aus China oder anderen Billiglohnländern) oder auch Embargos, wie gegen den Iran, Russland u.a., die bestimmte Geschäftsleute dazu bringt, einen „harten Brexit“ zu unterstützen.
Wer es aber wirklich mit der Angst zu tun bekommt, dass sind die Briten, die in EU-Ländern leben. Viele von ihnen sind Rentner, die in Spanien, Portugal oder anderen Mittelmeerländer leben. Natürlich haben auch die EU-Bürger in Großbritannien Angst um ihre Zukunft. Ein Brexit ohne Einigung wäre eine Katastrophe für so viele Menschen in ganz Europa und auch dem Rest der Welt, doch genau deshalb wird es nicht dazu kommen. Wenn die Politiker aber wirklich den „Willen des Volkes“ respektieren wollen, dann müssen sie ein erneutes Referendum ansetzen. Alles andere wäre Sturheit, wie jemand der auf einen Abhang zu rast aber nicht bremst, weil das GPS sagt, dass sie auf dem richtigen Weg sind!
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