„Die von der Regierung auferlegten Mindestdienste im Verkehrssektor sind eine Verbiegung des Streikrechts, aber mit entsprechender Ruhe bleibt noch Zeit, einen Deal zu erzielen, der die Fahrer respektiert und die Krise vermeidet“, sagte Catarina Martins, Vorsitzende des linksprogressiven Bloco Esquerda. Derzeit rechnen die Tarifpartner mit dem Druck der Bevölkerung auf die Regierung, die durch trockene Tankstellen und leere Regale in den Supermärkten entsteht. Doch der Schuss kann auch nach hinten losgehen.
Rui Filipe Gutschmidt – 11. August 2019
Die Regierung hat sich auf den lange angekündigten Streik der Fahrer der Gefahrenguttransporter vorbereitet. Ein Mindestdienst wurde festgelegt, der in den Augen der Gewerkschaften unrealistisch übertrieben ist und auch Polizei und Militär sollen als Fahrer eingesetzt werden. Dabei braucht es eine spezielle Ausbildung, um gefährliche Stoffe transportieren zu können. Die Gewerkschaften beanstanden genau dieses Problem. Wie kann man Fahrer einsetzen, die nur ein paar Tage Intensivlehrgang gemacht haben? Es scheint, dass hier mit dem Leben der Menschen gespielt wird. Doch selbst wenn die Fahrer keine Fehler machen, so bleibt die Frage, warum manche eine lange, kostspielige Ausbildung machen müssen, während andere nach ein paar Tagen schon brennbare, explosive, korrosive und auf andere Art gefährliche Stoffe transportieren dürfen.
Währenddessen haben fünf Arbeitgeberverbände Einstweilige Verfügungen bei verschiedenen Gerichten eingereicht. All das veranlasst Catarina Martins dazu von einer Verbiegung des Streikrechts zu sprechen. Dabei sind vor allem die Tankwagen betroffen. So soll es nicht wieder zu so einem Chaos kommen wie im April, als das ganze Land Stillstand.
Dabei haben wir das Chaos bereits. An den Tankstellen haben sich endlose Schlangen gebildet, da im Fall eines Streiks nur 15 bis 25 Liter Kraftstoff pro Fahrzeug erlaubt sein wird. 100 Nottankstellen sollen für Rettungsdienste und Sicherheitskräfte zur Verfügung stehen. So hat sich scheinbar das ganze Land darauf konzentriert, den Streik der Kraftfahrer so „unwirksam“ wie möglich zu machen. Die Auswirkungen auf die Gesamtbevölkerung sollten aber auch nicht der Zweck eines Streiks sein. Die Gewerkschaften scheinen in diesem Fall nicht nur Druck auf die Arbeitgeber machen zu wollen, sondern auch auf die Bevölkerung an sich. Das ist aber nicht Sinn der Sache und kostet den Arbeitnehmern viele Sympatien.
Doch wenn die Medien – die in Portugal bei weitem nicht so obrigkeitshörig sind wie in Deutschland und den meisten Ländern dieser Welt – etwas genauer hinschauen würden, dann könnten sie sehen, dass auch die Arbeitgeberverbände und nicht nur die Gewerkschaften, das ganze Land als Geisel nehmen. Denn die Arbeitnehmer wollen nur was ihnen zusteht und was im April vereinbart wurde. Doch Catarina Martins stellt dabei klar, dass eine Einigung nur nicht zustande kommt, weil niemand diese will. „Wenn ich die verschiedenen Positionen so höre, dann scheint es mir als würden alle die Krise suchen, statt einer Lösung“.
Wobei, wie gesagt, es ein reelles Problem gibt, welches eine Lösung verlangt. Nach dem Streik im April bekamen die Fahrer zwar mehr Geld, aber vieles davon wird als Zuschüsse ohne Abzüge ausgezahlt. Das heißt aber auch, dass die Rentenkasse nichts davon bekommt und dass die Rente der Fahrer einmal nicht die Höhe haben wird, die sie eigentlich haben sollte. Leider ist es seit Jahrzehnten schon Usus, einen Teil des Lohnes ohne Sozialversicherng und Steuern auszuzahlen.
Wenn man sich ansieht, was im Vorfeld dieses Streiks für ein Chaos herrschte, kann man sich leicht vorstellen, was da auf Portugal zukommt. Doch sind endlose Schlagen an den Zapfsäulen und Boxkämpfe an Tankstellen, eher eine Art „Echo“ oder „posttraumatisches Syndrom“ des letzten Streiks, bei dem die Engpässe vielen Menschen zu schaffen machten. Denn diesmal hat sich das Land auf den Arbeitskampf vorbereitet. Dabei hat Premierminister Antonio Costa neben den oben genannten Maßnahmen, mit der „A-Bombe“ der Gegenmaßnahmen – die „Zwangsrekrutierung“ – gedroht, falls die Mindestdienste nicht eingehalten werden.
Das wäre aber alles nicht nötig. Die Arbeiter wollen nur, was ihnen zusteht und was ihnen im April versprochen wurde. Ein mit Vernunft ausgehandelter Tarifvertrag, bindend und mit Respekt vor der Arbeit dieser Menschen, ohne die – und das zeigt dieser Streik – NICHTS geht und das Land nicht funktionieren kann. Doch da verschiedene Gruppierungen den Arbeitskampf der Fahrer der Gefahrenguttransporte für politische Zwecke nutzen (im Oktober sind Wahlen) und Stimmung gegen das aktuelle Streikrecht machen, ist eine schnelle Einigung nicht zu erwarten. Dabei haben auf der anderen Seite bereits andere Gewerkschaften angekündigt, dass sie aus Solidarität dem Streik beitreten könnten. Dazu gehören auch die Hafenarbeiter, die Ende letzten Jahres ebenfalls für große Probleme sorgten.
Jetzt heißt es abwarten und hoffen, dass der gesunde Menschenverstand noch nicht ganz verloren ging. Der Streik beginnt jedenfalls morgen früh, 12. August 2019 und Info-Welt bleibt am Ball.
Prügelei an der Tankstelle:
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