Portugal hat ein neues Parlament gewählt. Wie vorhergesagt haben die linken Parteien einen großen Sieg errungen und sind somit in der Lage eine stabile Regierung zu bilden. Doch Premierminister António Costa hat die absolute Mehrheit verfehlt und ist daher auf die Zusammenarbeit mit anderen Parteien angewiesen. Die historische Niederlage der Mitterechtsparteien zeigt, dass die Menschen den Unterschied begriffen haben, zwischen der Troikaregierung 2011-2015 und der letzen Legislaturperiode. Unerwartet war der Einzug von gleich drei kleinen, vor kurzem gegründeten Parteien.
Rui Filipe Gutschmidt – 11. Oktober 2019
Die sozialdemokratische Partido Socialista (PS) unter dem Premierminister António Costa hat einen klaren Wahlsieg erzielt. Seine Partido Socialista bekam aber nicht die absolute Mehrheit und ist daher, wie auch schon in der letzten Legislaturperiode, auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen.
PS | Mittelinks | 36,6 % | 106 | |
PSD | Mitterechts | 27,9 % | 77 | |
BE | Links | 9,7 % | 19 | |
CDU (PCP+PEV) | PCP-Links PEV-Ökologie |
6,5 % | 12 | |
CDS | Mitterechts | 4,2 % | 5 | |
PAN | Ökologie | 3,3 % | 4 | |
CHEGA | Rechtspopulistisch | 1,3 % | 1 | |
IL | Neoliberal | 1,3 % | 1 | |
Livre | Linksökologisch | 1,1 % | 1 |
Wahlbeteiligung 54,5 Prozent
Quelle: Publico
Doch fehlen noch die 4 Abgeordneten, die von den im Ausland lebenden Portugiesen gewählt wurden. Diese Stimmen werden noch ausgezählt, doch ist es sicher, dass diese zwischen PS und PSD aufgeteilt werden.
Die Frage „wer mit wem?“, oder in diesem Fall „wer mit der PS und António Costa?“, hat sich in den letzten Tagen herauskristallisiert. Doch klar war schon von Anfang an der Wunsch des Premierministers Costa, die bisherige, linksgerichtete Politik fortzuführen. Doch dazu benötigt er die Kooperation der Parteien zu seiner Linken. Vor vier Jahren war es ein absolutes Novum, als die Linken Parteien sich zusammenrauften, um der PS die Bildung einer Regierung zu ermöglichen, obwohl die Koalition aus PSD und CDS die meisten Stimmen erreicht hatten.
Dieses Bündnis wurde aber nur auf parlamentarischer Ebene geschlossen. Die PS, soviel scheint klar, wird dieses mal nicht mit den selben Parteien oder einem gleichen Abkommen (auf vier Jahre) ihre Regierung bilden. Auch Premierminister Costa wurde bereits von Präsident Marcelo de Sousa aufgefordert eine Regierung zu bilden und hat auch schon mit den anderen Parteien Gespräche geführt.
Die Kleinparteien CHEGA (es reicht), Iniciativa Liberal und LIVRE (Freie), haben je einen Abgeordneten und sind daher nicht ausschlaggebend. Die CHEGA sind noch dazu Rechtspopulisten und die IL sind radikale Neoliberale. Die LIVRE aber, ist eine ökologische linksgerichtete Partei, die Antonio Costa nicht von sich weist. Die PSD und die CDS, also die Mitterechtsparteien im Parlament, sind auch vom Tisch und so bleiben nur noch die PAN und die Parteien des Bündnisses von 2015.
Es ist inzwischen allen klar, dass die PAN nicht wirklich links oder rechts einzustufen ist. Auch ein gewisser Radikalismus ist ihnen zu eigen. Die Partei der „Menschen, Tiere und Natur“ ist strickt gegen den Konsum von Rindfleisch, da die Massenproduktion einige der größten Umweltprobleme verursacht. Aber die Partei hat keine klare Linie und hat außerdem einen langfristigen Kompromiss mit der PS ausgeschlossen.
Die CDU ist das Bündnis aus Grünen und Kommunisten. Sie haben etwa die Hälfte der Stimmen verloren, aber es wären immer noch genug, um gemeinsam mit der PS auf über 50 Prozent zu kommen. Jeronimo Sousa, der Vorsitzende der Kommunisten, hat klar gestellt, dass eine Zusammenarbeit mit der Regierung nur für Dinge in Frage kommt, die eine Verbesserung für das Leben der Arbeiter und der großen Masse des Volkes bedeuten. Ein tiefgreifender Kompromiss ist eher nicht zu erwarten, weil die CDU von ihren Stammwählern für ihre Kompromissbereitschaft in der letzten Legislaturperiode abgestraft wurde, während die PS über 20 Sitze dazu gewann und der Dritte im Bunde – der Linke Block – BE – seinen Stimmanteil ausbaute und die 19 Sitze im Parlament beibehielt.
Es ist mit eben dieser linksprogressiven Partei unter der Vorsitzenden Catarina Martins (die sich selbst als „Sprecherin“ der Partei designiert), dass ein stabiles Regierungsbündnis möglich sein könnte. Laut Premierminister Costa blieb, nach ersten Sondierungsgesprächen, nur noch die Frage „wie weitreichend“ das Abkommen reichen könnte. Inzwischen ist klar, dass Costa eine linksgerichtete Politik weiterführen muss, wenn er stabile Mehrheiten wünscht. Der BE ist in den Verhandlungen mit der PS in einer relativ previligierten Position. Nur Kommunisten und die konservativ-neoliberale PSD haben genug Sitze, um jeweils eine Mehrheit im Parlament mit der PS zu bilden. Doch keiner von ihnen hat die Absicht ein tiefgreifendes Abkommen mit António Costa zu schließen.
Doch der Linke Block hat keinen schriftlichen Vertrag mit der PS geschlossen und Catarina Martins wird von Fall zu Fall entscheiden. Klar ist, dass der BE Druck ausüben wird, da mit ihr nur durchgeht, was der großen Masse wieder mehr Geld in der Tasche lässt und somit den Konsum und die Binnennachfrage steigert. Die Verbesserung der Lebensqualität der Arbeiter, Rentner, Familien oder kurz gesagt, der unteren ¾ der Bevölkerung, eine Politik der Solidarität mit den weniger vom „Glück“ begünstigten Menschen, steht zwar auch im Programm der PS, aber der Druck von links, insbesondere des BE, ist unumgänglich, damit sich die Partido Socialista auch in der Praxis daran hält.
Antonio Costa, der also sicherlich (zunächst auf jeden Fall) eine reine PS-Regierung anführen wird, hat in den vergangenen vier Jahren nur allzu oft die Forderungen der Gläubiger und die Schuldentilgung vor die dringend benötigten staatlichen Investitionen (z. B. ins Gesundheitssystem oder in die Bildung) gesetzt. Seine Obsession für ein Nulldefizit wird seit kurzem von einer Obsession für einen Haushaltsüberschuss abgelöst. Diesen Weg gehen die Parteien zu seiner linken nicht mit. Dennoch wird Costa seinen „Linkskurs“ beibehalten, zumindest solange es ihm nutzt. Doch einzelne Abkommen mit der PSD behält er sich vor und sei es nur um seine Position der Stärke zu demonstrieren. Eine Zusammenarbeit der linken Parteien, BE. PCP, PEV und LIVRE, kann aber ebenso eine gewisse Position der Stärke repräsentieren. In den nächsten Wochen, wenn der Haushaltsplan für 2020 verhandelt wird, wird uns zeigen wie stark Catarina Martins, Jeronimo Sousa und die andere Linken im Parlament wirklich sind.
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