Die Ureinwohner des Amazonasgebiets sind unerlässlich für den Schutz der Regenwaldes

Wo ist dein Lächeln geblieben? - Ein junges Ashaninka Mädchen in einem Apiwtxa Dorf in Acre Brasilien - CC 0 Lizenz

Rui Filipe Gutschmidt – 11. Dezember 2019

In einem Interview mit Luis Leiria von Esquerda.net erklärt der Anthropologe und Verfechter der Ureinwohnerrechte Sydney Possuelo, dass sich die Indios in Brasilien in einer sehr schwierigen Situation befinden, da die Politik von Präsident Jair Bolsonaro, die Funai entkräftete, um so die Möglichkeit zu eliminieren, dass diese Maßnahmen gegen die Invasion indigener Gebiete ergreifen. Doch Possuelo sieht die Lösung auch in einer inneren Bewusstseinsänderung.

Der Anthropologe Sydney Possuelo ist einer der wichtigsten Verfechter der Ureinwohnerrechte in der brasilianischen Geschichte. Von seinen 79 Lebensjahren verbrachte er 42 im Regenwald. Er hat als Präsident der Nationalen Ureinwohner Stiftung – Funai – eine riesige Fläche zum Ureinwohnerland gemacht. Es ist dennoch nur ein kleiner Teil von dem, was diesen Völkern und Stämmen gehörte bevor „der weiße Mann“ seinen Fuß auf den Boden Brasiliens setzte. Das Land in dem das „Pau Brasil“ – eine Holzart – wächst, wurde offiziell von dem Portugiesen Pedro Alvares Cabral um 1500 für die portugiesische Krone in Besitz genommen. Bis 1511 hieß es erst Ilha de Vera Cruz und dann Terra de Vera Cruz. Erst ab 1530 wurde das Gebiet, das bereits 6 Jahre vor seiner „Entdeckung“ durch den Vertrag von Tordesilhas den Portugiesen zugesprochen wurde, stärker besiedelt und erkundet. Besagter Vertrag von 1494 sprach den Portugiesen alles Land zu, dass sich östlich einer imaginären Nord-Südachse 200 Seemeilen westlich der Kapverden befand.

Die Ureinwohner – auch „Indios“ genannt, um sie von den „Indianern“ Nordamerikas und den „Indern“, die wirklich aus Indien sind, zu unterscheiden – wurden anfänglich als Sklaven benutzt oder man tauschte billige Glaswaren und andere Gegenstände mit ihnen. Als Sklaven waren diese Menschen oft völlig ungeeignet. Sie verstanden das ganze Konzept von „Besitz“ nicht und „Menschen zu besitzen“ schon gar nicht. Neben Sklavenhändlern die Jagd auf Menschen machten, kamen auch Missionare, die Jagd auf Seelen machten. Die Konvertirten hatten einen gewissen Schutz, wobei dieser aber auch zu einem gewissen Preis kam und letztlich auch keine Garantie war. Schon damals waren die wirtschaftlichen Interessen stärker als moralische Bedenken.

So wurde gleich von Anfang an die einheimische Bevölkerung dezimiert und zurückgedrängt. Neben Kämpfen und Versklavung hatten vor allem auch die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten verheerende Folgen. Im Laufe der Zeit, besonders mit den Bündnissen gegen die Holländer, die im 17. Jahrhundert Teile Nord-Brasiliens besetzten, erkämpften sich einige indigene Völker Rechte, die bis heute zumindest auf dem Papier bestehen. Dazu gehören auch Schutzgebiete, die allerdings immer wieder verteidigt werden mussten. Mit Gründung der FUNAI stellten Brasiliens Machthaber unter dem Druck einer moralisch geprägten Weltöffentlichkeit weite Gebiete unter die Aufsicht einer unabhängigen, nicht staatlichen Organisation.

So ist das Gebiet der Yanomamis beispielsweise grösser als Portugal und in den tiefen des Waldes leben vereinzelt Stämme, die noch nie Kontakt mit der „Zivilisation“ hatten. Diese stehen unter besonderem Schutz, zumindest in der Theorie. Aber in dem riesigem Gebiet ist „Schutz“ ein äußerst relatives Wort. Vor der FUNAI nahm sich jeder was er wollte. Indios wurden von Fazendeiros (Großgrundbesitzer) vertrieben, Holzfäller drangen schwer bewaffnet immer tiefer in den Wald vor und auch die Suche nach Gold, Edelsteinen und Öl (unter anderem) bedrohten den Wald, seine Fauna und natürlich auch die Bewohner dieser Gebiete. Die FUNAI änderte dies teilweise.

Es war Sydney Possuelo, der die Philosophie Brasiliens in Bezug auf die sogenannten „isolierten Völker“, die indigenen Völker ohne Kontakt zur Zivilisation, veränderte. Die Politik des brasilianischen Staates hörte auf sich von der Kontaktaufnahme auf die spätere Integration der Indianer in die „Zivilisation“ zu konzentrieren. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der brasilianische Staat sehen sollte, wo sich diese Gruppen befinden, ihr Land abgrenzen und ein Team bilden sollte, das nicht Kontakt mit diesen Menschen aufnimmt, sondern dieses Gebiet schützt und sie gemäß ihrer Tradition, ihren Interessen, Gewohnheiten und Bräuchen leben lässt“, erklärte Possuelo gegenüber Esquerda.net in einem kurzen Interview in Portugal.

Aber jetzt sind diese Gebiete genauso bedroht wie die Territorien, in denen der Großteil der Ureinwohner lebt. Es ist die Politik des aktuellen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, der die Finanzierung für die FUNAI unter fadenscheinigen Gründen ersatzlos gestrichen hat, die jetzt die indigenen Völker verängstigt. Denn die Stiftung ist seither faktisch handlungsunfähig. Laut Possuelo ist dies ein klares Signal, dass diese Gebiete der Agrarwirtschaft und den Glücksrittern auf der Suche nach Bodenschätzen geöffnet werden soll. Das verstärkt die Zerstörung der Region noch weiter, die von den Indios geschützt wird, da diese schließlich von ihrer Umwelt abhängig sind und diese zum Überleben brauchen.

Chief Raoni, ein Führer der Kayapó, hat kürzlich einen Text veröffentlicht, in dem er sagt, dass die Völker des Amazonas Angst haben und dass wir alle, die nicht im Amazonas leben, bald auch Angst vor den dort stattfindenden Verwüstungen haben werden. Damit meint er unter anderem die Waldbrände in der Region. In dem Interview erklärt der erfahrene Anthropologe, wie das Feuer, einst von den Indios selbst genutzt, in den Händen unerfahrener Fazendeiros außer Kontrolle geraten konnte. „Wenn ein Stamm, eine Gemeinde, eine neue Anbaufläche brauchte, dann wurde das Stück Land erst gerodet, dann das Gestrüpp getrocknet und im Anschluss kontrolliert abgebrannt. Dies ist seit Jahrhunderten Tradition, wobei die Ureinwohner des Amazonas aber auch genau wissen, was sie da tun.“
Die Fazendeiros aber, bekamen den Hals nicht voll und die von ihnen gelegten Feuer vereinten sich und gerieten außer Kontrolle, so Sydney Possuelo. Der Druck, immer mehr Land zu brauchen, um immer mehr anzupflanzen und immer mehr zu produzieren, sei der Grund für die Großbrände im Amazonasgebiet. So wäre es Zeit, dass wir über die Umwelt reflektieren, da diese nicht unendlich vorhanden sei, physische Grenzen habe.
So müssten wir uns nicht nackt ausziehen und mit Pfeil und Bogen alle zurück in den Wald gehen. Aber wenn wir uns unserer limitierten Existenz – diesen 70, 80, 90 Jahren – bewusst werden und unsere Verantwortung gegenüber der Natur wahrnehmen, dann könnten wir sicher ein lockereres Leben führen. Dazu müssen wir aber unseren Konsumwahn einschränken und uns an den Indios, insbesondere an den „isolierten Völkern“, ein Beispiel nehmen. Diese halten keinerlei Kontakt, nicht einmal zu anderen Indios in relativer Nähe. Sie wollen mit unserer Lebensweise nichts zu tun haben. Wenn das Lächeln ein Zeichen für das glücklich sein ist, dann sind die Menschen dieser Völker mit Sicherheit die glücklichsten der Welt, denn sie Lächeln ständig. Doch könnten sie es jetzt auch verlernen…
Mein persönliches Fazit: Tatsächlich muss ich Sydney Possuelo Recht geben. Lächeln ist ein Anzeichen für Glück und Geld kann dieses Glück nicht kaufen! Weitere Aussagen aus dem Interview werde ich später gerne übersetzen, wenn dies ausdrücklich gewünscht wird. Doch die Essenz habe ich hier zusammengetragen. Das Paradies ist bedroht

Wer portugiesisch kann, kann hier das ganze Interview sehen und nachlesen:

https://www.esquerda.net/artigo/os-povos-indigenas-sao-fundamentais-na-defesa-da-amazonia/64803

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