Rui Filipe Gutschmidt – 20. Januar 2020
Der brasilianische Präsident, Jaír Bolsonaro, musste seinen Staatssekretär für Kultur Roberto Alvim feuern, nachdem dieser Joseph Goebbels teilweise zitiert und eindeutig dessen Ansichten über nationalistische Kunst teilt. Den Propagandaminister des Dritten Reichs zu kopieren war angesichts der Bewahrung guter Beziehungen zu Israel aber keine gute Idee.
„2020 wird das Jahr der Wiedergeburt der Kunst und Kultur Brasiliens“, sagte Roberto Alvim, seines Zeichens (inzwischen gefeuerter) „Spezial-Staatssekretär“ für Kultur Brasiliens. Kurz darauf setzte er in einem Video bei Twitter noch einen drauf.
Er begann damit, „seinen Auftrag“ zu erklären. „Der Präsident bat mich ‚rette unsere Jugend’“, so Alvim. „Wir errichten eine neue nationale Kunst“ und gehen „in Richtung einer aufstrebenden brasilianischen Zivilisation.“ Diese sei inspiriert in „den Tugenden des Glaubens, der Treue, der Selbstaufopferung und des Kampfes gegen das Böse.“
Die Hauptaussage aber, die Stein des Anstoßes wurde, war die fast identische Kopie eines Teils der Rede, die Propagandaminister Joseph Goebbels am 8. Mai 1933 (also kurz nach der „Machtergreifung“ der Nazis in Deutschland) bei einem Treffen von Theaterdirektoren hielt.
Joseph Goebbels:
„Die deutsche Kunst des nächsten Jahrzehnts wird heroisch, sie wird stählern romantisch, sentimentalitätslos sachlich, sie wird national mit großem Pathos und gleichfalls verpflichtend und bindend sein, oder sie wird nicht sein.“
Roberto Alvim:
„Die brasilianische Kunst des nächsten Jahrzehnts wird heroisch sein und sie wird national sein. (…) Oder sie wird nichts sein.“
Unterlegt war Alvims Video mit Klängen der Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner, dessen patriotischen Opern über germanische Sagen von Adolf Hitler und vielen anderen Nazis geliebt wurden.
Laut Alvim, seien die Übereinstimmungen zwischen seiner und Goebbels Rede ein „rhetorischer Zufall“.
Der Präsident des brasilianischen Senats, David Alcolumbre, verurteilte „die finstere, nationalsozialistische Inspiration“ seitens Alvim. „Als erster jüdischer Präsident des Nationalkongresses, manifestiere ich vehement meine völlige Abneigung und fordere seine sofortige Entlassung,“ so Alcolumbre weiter.
Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Rodrigo Maia, meinte dazu: „Der Staatssekretär für Kultur hat alle Grenzen überschritten. Es ist nicht akzeptabel. Die brasilianische Regierung muss ihn schnellstens entlassen.“
Der oberste Richter des Landes, Dias Toffoli, sieht in dem Post eine Beleidigung des brasilianischen Volkes, insbesondere der jüdischen Gemeinde. Diese wiederum, vertreten durch die Israelische Konföderation Brasiliens, nannte die „Imitation des Propagandaministers aus dem Dritten Reich“, ein „erschreckendes Signal über die Ansichten zur Kultur“, welche bekämpft und im Zaum gehalten werden müssten. Die Tageszeitung „Folha de São Paulo“ meinte, dass Präsident Bolsonaro auch vom israelischem Botschafter, Jossi Shelley, „unter Druck gesetzt“ wurde..
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„Wir sind keine Nazis, aber…“
Es ist, und wie man sieht stehe ich nicht allein mit dieser Meinung, eine erschreckende Tatsache, dass in Brasilien, wie auch in unzähligen anderen Ländern, die Ideologie der Nazis und der Faschisten wiederauferstehen kann und wie selbstverständlich ihre kranken Vorstellungen als „patriotisch“ und als „gerechte Sache“ dargestellt werden. Dabei vermeidet man aber möglichst mit den Nationalsozialisten oder Faschisten in Zusammenhang gebracht zu werden.
Das typische „jetzt kommen sie gleich mit der Nazikeule“ oder „ich bin kein Nazi, aber…“, zeigt entweder eine große Unwissenheit, insbesondere der Geschichte, oder aber das Wissen, aus egoistischen Gründen moralisch falsch zu handeln und daher den fast schon unterbewussten Drang die negativ behaftete Bezeichnung „Nazi“ oder auch „Faschist“, Rechtsextremer, Rechtspopulist, Ultranationalist und, meine Favoriten und Eigenkreationen, Nationalegoist bzw Patidiot, weit von sich zu weisen.
Keine Ausnahme bildet diesbezüglich Brasiliens Regierung, allen voran Präsident Jaír Bolsonaro. Der militärische Hintergrund des Präsidenten und vieler Minister, dessen Sehnsucht nach der Zeit der Militärdiktatur und ihr Hass gegen „die Linksextremen, roten Banditen, kommunistischer Abschaum“, kurz gesagt, gegen die Arbeiterpartei PT (Partido de Trabalhador) zeichnet die jetzt in Brasilia Regierenden genauso aus wie ihre ultrakonservative, christlich-religiöse Weltanschauung. Rassistische Äußerungen muss man sich in Brasilien aber eher verkneifen, da sich die multirassiale Wählerschaft so nicht gewinnen lässt. Aber Nationalepos und imperialistische Ideen eines „Großbrasiliens“ und eine „dominante Machtstellung“ werden den Eliten des Landes zumindest versprochen.
Auch dem Volk versprach man das Ende der Korruption, der Kriminalität, der „Faulheit“ und des „süßen Lebens“ auf Kosten der „hart arbeitenden“ Menschen. Bolsonaro kam mit seinem populistischen „wir sind die Guten, die Rechtschaffenden, die ehrlichen Bürger“, wir werden die „korrupten, mafiösen, teuflischen Kommunisten aus dem Land jagen, die auf unsere Kosten ein Luxusleben führen…“.
Der eine oder andere Brasilianer oder auch Brasilienreisende mag jetzt denken „richtig so, wurde auch Zeit!“ Doch in Wahrheit wirtschaften auch diese Leute in die eigene Tasche und werden von alteingesessenen Eliten unterstützt. Das machen diese nicht umsonst, was man im Übrigen auch nicht von den USA sagen kann. Die US-Interessen sind hierbei nicht nur wirtschaftlicher Natur. Auch auf politisch/ideologischer Ebene findet ein Austausch statt, da mit Donald Trump auch ein Präsident aus der rechtsextremen Ecke des politischen Spektrums die USA regiert. Man versteht sich eben, solange jeder „seinem Volk“ geschlossene Vereinbarungen als „im nationalen Interesse“ verkaufen kann.
Roberto Alvim, um abschließend zum Thema zurückzukehren, hat also mit seinem unrühmlichen Auftritt bei Twitter nur dafür gesorgt, dass so mancher endlich realisiert hat, wer da Brasilien regiert und welche Ideologie diesen Leute als Vorbild dient. Brasiliens Regierung ist rechtsextrem, ultrakonservativ, mit faschistischen und nationalsozialistischen Grundideen. Wer, wie es Roberto Alvim tat, Goebbels aus seiner Biographie zitiert und dessen politische Rede fast 1:1 übernimmt, ist – man kann es nicht anders bezeichnen – ein NAZI, mit Haut und Haaren. Wer das jetzt noch bezweifelt und Brasiliens Regierung noch immer nicht als rechtsextrem Bezeichnet, ist entweder naiv, oder gehört dazu.
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