Rui Filipe Gutschmidt – 10. März 2020
Der Spiegel-Online brachte vor kurzem einen Artikel über den „historischen Überschuss-Etat“ Portugals. Dabei ist der Kurs der „sozialistischen“ Regierung nicht unumstritten, da dieser Überschuss zu Lasten der unteren Einkommensgruppen erreicht wird. Die Frage, ob Schuldendienst oder Investitionen ist so alt wie unsere Welt…
Die portugiesische Regierung hat mit dem „historischen Haushalt“ zwar das Diktat der EU und anderer Gläubiger befolgt, was auch weiterhin eine Finanzierung zu Negativzinsen ermöglicht, hat mit dieser Politik aber auch den Unmut der Parteien zu ihrer Linken auf sich gezogen. Der Artikel des Spiegel schweigt zu dieser Tatsache und ist auch sonst nicht allzu konkret was die innenpolitische Lage des Landes betrifft. Besonders ungenau ist der Spiegel aber bei seiner Aussage zur „Rettung vor dem Staatsbankrott“ und der angeblichen „Führung aus der Krise“ durch die Konservativen.
Erstmals seit 1974 plant Portugal mit einem Überschuss im Staatshaushalt. Möglich macht das die wachsende Wirtschaft. Die sozialistische Regierung will Schulden abbauen.
Im früheren Euro-Krisenland Portugal ist ein historischer Staatshaushalt verabschiedet worden. Das Parlament in Lissabon genehmigte am Donnerstag für 2020 den ersten Überschuss-Etat seit 1974.
Finanzminister und Euro-Gruppen-Chef Mário Centeno hatte kurz vor der Abstimmung gesagt: „Das ist der beste Haushalt der vergangenen Jahre.“ Portugal habe alle Herausforderungen gemeistert und werde auch in Zukunft „nicht müde werden, alle Verpflichtungen zu erfüllen“, beteuerte der 53-Jährige.
Der Haushaltsplan sieht einen Überschuss von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Bei einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent für 2020 wären das rund 535 Millionen Euro.
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Schulden in Höhe von 120 Prozent des BIP
Die Regierung von Ministerpräsident António Costa ist etwas optimistischer als die EU-Kommission. Brüssel geht lediglich von einem ausgeglichenen Haushalt und einem Wachstum von 1,7 Prozent aus. Portugal gehört mit einem Schuldenberg von um die 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu den am stärksten verschuldeten Ländern der Eurozone.
Der Gewerkschaftsdachverband CGTP kritisiert die Ausgabenpolitik der Sozialisten hingegen scharf. Die vorgesehene Anhebung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sei zu gering und führe zu einem Kaufkraftverlust. Zudem bleibe über die Hälfte der Arbeitslosen in Portugal ohne sozialen Schutz.
Mit einem Hilfspaket von 78 Milliarden Euro hatten die EU und der Internationale Währungsfonds Portugal 2011 vor dem Bankrott bewahrt. Die Konservativen führten das Land aus der Krise, sie wurden aber 2015 wegen der strengen Sparpolitik abgewählt.
Unter dem im Herbst wiedergewählten Costa ging es dann stetig aufwärts. Die Wirtschaft wuchs auch dank eines Tourismusbooms deutlich stärker als im EU-Schnitt. Mit 6,5 Prozent erreichte die Arbeitslosenquote zuletzt den niedrigsten Stand seit 2002..
Es ist aber nicht dem Ex-Premierminister Pedro Passos Coelho (PSD) und seinem Vize, Paulo Portas (CDS) zu verdanken, dass Portugal aus der durch Spekulanten künstlich erschaffenen Krise wieder heraus kam. Im Gegenteil! Die seinerzeit von Wolfgang Schäuble auferzwunge „Austeritätspolitik“ und der damit einhergehende Sparzwang, hat das Land erst richtig in den Krise gestoßen! PSD – Partido Socialdemocrata – ist eine konservativ-neoliberale Partei. Die Namen der Parteien in Portugal sind in Bezug auf ihre Politik weiter nach Links gerutscht. Eine Besonderheit, die dem Spiegel-Online wohl nicht bekannt ist.
Erst mit dem Linksruck bei den Wahlen 2015, als Premierminister Antonio Costa mit seiner sozialdemokratischen Partido Socialista (PS) zwar nur zweitstärkste Kraft wurde, aber mit Hilfe der Linken Parteien Bloco Esquerda (BE), der Partido Comunista Português (PCP) und der Partido Ecologista „Os Verdes“ (PEV), eine links gestützte Minderheitsregierung bilden konnte, begann Portugals beispielhafter Aufschwung.
Eine Politik der Wiederherstellung von Löhnen, Gehältern und Renten, die in der Zeit der Troika gnadenlos zusammengestrichen wurden, brachte den gewünschten Erfolg. Der Binnenmarkt wurde durch die Stärkung der Kaufkraft wieder angekurbelt und so bekam auch die Exportbranche neue Kraft, Investitionen in die Produktionskapazitäten zu tätigen. Eine Welle der Solidarität wurde durch die im Ausland arbeitenden Portugiesen in alle Welt getragen und brachte einen Tourismusboom – wie der Spiegel-Online es nennt.
In den Jahren der Troika waren zusätzliche 500.000 Portugiesen auf der Suche nach besser bezahlter Arbeit emigriert. Es leben und arbeiten weitere X-Millionen Portugiesen in aller Welt und in Portugal arbeiten wiederum viele Afrikaner, Chinesen, Inder und Menschen aus Ost-Timor (ehemals portugiesische Kolonien), Osteuropäer und Brasilianer. Dazu kommen noch die Rentner aus Mittel- und Nordeuropa und die „Golden Visa“… Portugals Tourismus basiert auf dem guten Ruf des Landes und der Menschen vor Ort, aber auch von Investitionen in vielfältige Angebote, bei denen man weit mehr als den üblichen Strandtourismus bietet.
Der Überschusshaushalt aber ist investitionsschädigend. Portugals Linke und die Gewerkschaften fordern mehr öffentliche Investitionen in das eigene Land, statt mit dem Schuldendienst die Taschen der Spekulanten zu füllen, die ursprünglich das Land in die Krise geritten haben. Die Krise in Portugal hat Banker und korrupte Politiker reich, und einen sehr großen Teil der Bevölkerung arm beziehungsweise noch ärmer gemacht. Die Schulden nachverhandeln ist auch meiner Meinung nach der einzig richtige Weg, da dies die Glaubwürdigkeit des Landes nicht beeinflussen wird. Es ist eine Entschuldigung der Neoliberalen, die niedrige Löhne und Armut brauchen, um Macht über die Menschen ausüben zu können. Portugiesen wollen nicht länger in Armut leben. Niemand will das und die ungleiche Verteilung der Ressourcen dieser Welt muss endlich ein Ende haben. Europa sollte damit anfangen wirklich die sozialistischen Ideale umzusetzen, denn wenn das Volk es will, dann wird es so sein…
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