Hans-Jürgen Schwebke – 28. April 2020
zur Verfügung gestellt von AmericanRebel
In der Ausgabe 1/2015, der ¡NO PASARÁN! der Zeitschrift des Vereins „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936–1939 e.V.“ (KFSR), habe ich diesen Text gefunden. Ich möchte damit an die historische Tat erinnern, die sich heute vor 75 Jahren ereignete.
Das Bild „Die Rote Fahne über Berlin“ wurde zu einer der bekanntesten Fotos zum Sieg über den Hitlerfaschismus und fehlt in kaum einem Schulbuch. Vielleicht ist es auch einmal an der Zeit, an die Rotarmisten zu erinnern, die sich freiwillig meldeten, um den Fotografen Jewgeni Chaldej bei seiner Arbeit zu unterstützen. Einige von ihnen starben dabei – getroffen von den letzten Kugeln der faschistischen Wehrmacht.
Über die unbekannte Rolle eines spanischen Emigranten –
Die rote Fahne über Berlin
Es ist eine der markantesten Fotografien des 20. Jahrhunderts: Sie zeigt, wie vor über siebzig Jahren sowjetische Soldaten die rote Fahne auf dem Reichstag hissten. Das Motiv symbolisiert die Zerschlagung des Faschismus und den aufopferungsvollen Kampf der sowjetischen Völker und der Antifaschisten ganz Europas gegen diese Barbarei. Einer dieser Helden war Francisco Ripoll, der sich als Freiwilliger in die Rote Armee gemeldet hatte. Er war bis zu seinem Tod im Jahr 2001 Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Diese Reportage soll all jene Kämpfer ehren, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben gaben und die die offiziellen Annalen in einigen Ländern Europas zum Jahrestag des Kriegsendes ein weiteres Mal vergessen.
Francisco Ripoll wurde an Bord eines Schiffes auf dem Weg nach Cartagena geboren. Sein Vater war Offizier der republikanischen Kriegsflotte. „Wir waren fünf Brüder. Vier wurden in die UdSSR geschickt, den fünften prügelten die Falangisten zu Tode“, erzählte er dem Autor 1998 in Benidorm. Sie waren auf dem letzten Schiff, das spanische Kinder in die Sowjetunion brachte. Herzlich wurden die 120 Jungen und Mädchen zwischen 4 und 14 Jahren in Leningrad empfangen: „Auf der Mole warteten Tausende von Menschen, Orchester, Pioniere.“ Ihre Unterkünfte fanden die Kinder in Hotels. 1940 kam Francisco in das Leningrader Haus für spanische Jugendliche. „Dort lebten wir wie Brüder. Die Tatsache, dass wir Waisen waren, niemanden hatten, nur die Zuwendung der Erzieherinnen und Lehrer, prägte uns.“ In dem Jahr wurde er Komsomol-Mitglied und 1943 KPdSU-Mitglied. Im Juni 1941, zehn Tage nach dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion, meldete sich Francisco als Freiwilliger zur Roten Armee. „Alle hatten wir das gleiche Bedürfnis: den Kampf unserer Väter gegen den Faschismus fortzuführen.“ Francisco Ripoll wurde einer der Verteidiger von Leningrad. Nach 900 Tagen gelang es 1944 der Sowjetarmee die Blockade zu brechen. Die Division, der er angehörte, marschierte über das Baltikum nach Polen. Hier wurden die Rotarmisten mit dem Holocaust konfrontiert. Sie waren die Ersten, die Auschwitz betraten. Kein Nazi war mehr da. Es lebten noch Hunderte von Kindern, Erwachsene. Halbverbrannte Leichen in den Öfen.
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Ein Foto für die Geschichte
Francisco Ripoll kam als 20-jähriger Leutnant der XV. Freiwilligen-Division am 27. April vor den Toren Berlins an. Der Befehl zum Sturm auf Berlin erfolgte am 29. April. Die Stadt lag praktisch in Trümmern. „In der Nacht des 29. April erhielten wir den Befehl, den Reichstag zu stürmen. Es war ein hartes Gefecht. … Nur wenige Stunden, dann nahmen wir ihn ein. Am 30. April wurde die Fahne gehisst, nach mehreren Versuchen, bei denen es auch Tote gab, von Freiwilligen, unter ihnen auch ich. Darüber sprach niemand.“ Der Kriegsfotograf Jewgeni Chaldej machte mehrere Aufnahmen an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Soldaten mit der roten Fahne über dem befreiten Berlin, auch von Francisco Ripoll und seinen Gefährten. Er bezeugte, dass es Francisco Ripoll war, der die Fahne aufpflanzte.
Die Tatsache, dass er nicht nach Anerkennung strebte, und dass er während des Krieges den russischen Namen Wladimir Dubrowski trug, erklärt vielleicht, dass Francisco Ripoll nie mit dieser Geschichte in Verbindung gebracht wurde. Für ihn war der Kampf gegen den Faschismus auf sowjetischer Seite „der größte Stolz meines Lebens“. Er erhielt dafür verschiedene Auszeichnungen, auch den Orden des Großen Vaterländischen Krieges.
Nach Kriegsende studierte Ripoll an der Marineschule in Astrachan. 1957 entschloss er sich zur Rückkehr nach Spanien. Dort war er Repressalien durch die Franco-Behörden ausgesetzt. Seine letzten Lebensjahre widmete Ripoll dem Gedenken an seine spanischen Kameraden aus dem Leningrader Kinderheim, von denen viele auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs in den Reihen der Roten Armee oder in Frankreich gekämpft hatten, in deutscher Gefangenschaft starben oder in Spanien hingerichtet wurden. Doch Ripoll starb, bevor sein Projekt Realität wurde. Er zeigte mir noch die Liste mit den Namen derer, die an der Front gefallen waren, und fragte mich, wer sich denn sonst an sie erinnern würde: „Niemand“, beantwortete er selbst die Frage, „und das empört mich am meisten.
Den Artikel aus „Mundo Obrero“, Nr. 164, 30.04.2005, der zeitgleich im „Neuen Deutschland“ erschien, fasste Marguerite Bremer zusammen.
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