Rodolfo_Martín_Villa – By Museu d’Història de Catalunya (fotògraf Pep Parer) CC BY 3.0 |
Im Kongressgebäude von Madrid zeichnete König Felipe VI am 28. Juni 2017 Menschen aus, die sich um die Demokratie verdient gemacht haben. Unter ihnen Schergen des Franco Regimes. Ihre Opfer werden nicht erwähnt.
Von Jairo Gómez – Neue Debatte
Ein 82-jähriger Greis ist in Madrid für seine Verdienste um die Demokratie von Spaniens König Felipe VI ausgezeichnet worden. Der Monarch lächelte und der alte Mann dankte ihm mit einer tiefen Verbeugung. Er hat allen Grund dazu. Rodolfo Martín Villa wird seit 2014 wegen des Verdachts des fünffachen Mordes mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Ausgeliefert wird er nicht. Villa ist Teil des blutigen Fundaments, auf dem die Demokratie in Spanien aufgebaut wurde.
Während des Übergangs aus der Franco-Diktatur zur Demokratie kam es am 3. März 1976 in der nordspanischen Stadt Vitoria zu einem Massaker. Die Nationalpolizei feuerte mit scharfer Munition auf streikende Arbeiter. Mindestens 100 Menschen wurden verletzt, 5 getötet. Verantwortlich für den mörderischen Einsatz soll Rodolfo Martín Villa sein. Der ist sich keiner Schuld bewusst. Von sich selbst sagte er in einem Interview, er sei lediglich ein Mann der Ordnung: „… un hombre de orden.“
Rodolfo Martín Villa wird am 3. Okt. 1934 in Santa Maria del Páramo geboren. Eine kleine Gemeinde in der nordwestspanischen Provinz León. Die Region lebt von Landwirtschaft und Viehhaltung. Eine friedliche Gegend.
Eine Karriere in der Diktatur
Zwei Jahre später bricht in Spanien Bürgerkrieg aus. Militärs um Francisco Franco putschen gegen die demokratisch gewählte Regierung. Am 1. April 1939 endet der blutige Konflikt mit dem Sieg der Putschisten. Franco wird Diktator und bleibt es bis zu seinem Tod 1975.
Als Kind bekommt Rodolfo von den Ereignissen wenig mit. Er wird sich später gut in der Diktatur einleben und sich mit ihr engagieren. Sein Vater, ein Eisenbahner, hat einige nützliche Kontakte. Rodolfo kann ein Jesuitenkolleg besuchen und Dank eines Stipendiums der Eisenbahnergesellschaft in Madrid Ingenieurwesen studieren. Nach dem Erwerb des Doktortitels für Ingenieurwissenschaften findet er eine Beschäftigung im Öffentlichen Dienst.
Während des Studiums engagiert er sich beim falangistischen Studentensyndikat und wird Anfang der 1960er Jahre ihr Leiter. Er macht Karriere.
1964, Villa ist kaum 30 Jahre alt, wird er Präsident der Gewerkschaft für Papier und grafische Künste. Dann schickt man ihn als Provinzialdelegierten der Gewerkschaften nach Barcelona. Schon 1966 wechselt er den Posten und geht als Generaldirektor für Textilien ins Industrieministerium.
Der Tod Francos ist für seine Karriere kaum mehr als eine temporäre Störung. Villa vollzieht mit Leichtigkeit den Wechsel vom treuen Anhänger der Diktatur zum glühenden Kämpfer für die Demokratie. Innerhalb der Übergangsregierung bekleidet er hohe Positionen. Er ist Minister für gewerkschaftliche Angelegenheiten und bis Juli 1976 für das Innere verantwortlich. In dieses Zeitfenster fällt das Massaker von Vitoria.
Streikende Arbeiter abgeknallt
Am 3. März 1976 versammeln sich streikende Arbeiter in einer Kirche der nordspanischen Stadt. Die Polizei treibt die Menschen mit Tränengas und Gummigeschossen aus dem Gebäude und feuert anschließend mit scharfer Munition auf sie. Mindestens 100 Menschen werden verletzt und 5 getötet.
Rodolfo Martín Villa wurde dafür nie zur Verantwortung gezogen. Erst 2014, fast vier Jahrzehnte nach dem Verbrechen, holte ihn der Arm des Gesetzes ein. Aber nicht der spanische. Dort wurden alle Ermittlungsversuche im Keim erstickt.
Die argentinische Richterin María Servini aus Buenos Aires erließ Haftbefehle gegen insgesamt 20 Personen, die nach ihren Erkenntnissen für Verbrechen während der Franco-Diktatur und in der Übergangsphase zur Demokratie verantwortlich sind. Auf ihrer Liste steht Rodolfo Martín Villa. Der würde reden, nur ausreisen darf er nicht. Also bleibt alles beim alten – als wäre nie etwas passiert.
Der Folterknecht Antonio González Pacheco
Als sich Villa am 28. Juni im Kon
gressgebäude vor König Felipe VI verbeugte, war noch ein weiterer Schlächter im Saal: Antonio González Pacheco. Der soll sich um die Polizeiarbeit verdient gemacht haben. Offenkundig ein Psychopath, dem das Franco-Regime eine Uniform anzog, damit er legal foltern konnte und dem die Demokratie heute Dank ausspricht. Wofür eigentlich?!
gressgebäude vor König Felipe VI verbeugte, war noch ein weiterer Schlächter im Saal: Antonio González Pacheco. Der soll sich um die Polizeiarbeit verdient gemacht haben. Offenkundig ein Psychopath, dem das Franco-Regime eine Uniform anzog, damit er legal foltern konnte und dem die Demokratie heute Dank ausspricht. Wofür eigentlich?!
Pacheco, der in der spanischen Bevölkerung unter dem Spitznamen „Billy the Kid“ berüchtigt ist, gehörte zur „Brigada Politico-Social“ (BPS), einer Einheit der Geheimpolizei. Deren Aufgabe war die Verfolgung der Gegner des Franquismus. Das Quälen von Menschen war für Pacheco Arbeitsroutine.
Er soll Hunderte Oppositionelle und politische Dissidenten misshandelt und gefoltert haben. Belangt wurde er lediglich in einem Fall. Ein Gericht verurteilte ihn wegen der Misshandlung eines Studenten zu einer Geldstrafe. Bis 1986 blieb er im aktiven Polizeidienst. Anschließend leitete er Sicherheitsdienste in der Privatwirtschaft, darunter den von ENDESA, einem der größten Energieversorger des Landes.
Ein weiteres Beispiel für den problemlosen Wechsel alter Seilschaften in das demokratische System liefert Manuel Fraga Iribarne. Unter Franco war er von 1962 bis 1969 Minister für Tourismus und Information, während des Übergangs Innenminister und Vizeregierungschef. Er zählt zu den Vätern der spanischen Verfassung, die im Dezember 1978 in Kraft trat. Fraga wurde vorgeworfen, für das Massaker von Vitoria mitverantwortlich zu sein. Gegen den Altfaschisten wurde nie ermittelt.
1976 gründete Fraga ein Wahlbündnis aus rechten Parteien: die Alianza Popular. Zahlreiche ehemalige Franco-Minister gehörte ihr an. Die AP blieb anfänglich eine Minderheitenpartei. 1989 ging aus ihr die Volkspartei (PP, Partido Popular) hervor. Heute ist die PP unter Ministerpräsident Mariano Rajoy in der Regierungsverantwortung …
Morgen kommt Teil 2 des Beitrags, der uns von Neue Debatte zur Verfügung gestellt wurde.
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