Jean-Claude Juncker – EU-Kommissionspräsident – Lizenz Flickr CC BY 2.0 |
Bei seiner Ansprache zur Lage der EU sprach Jean-Claude Juncker von den „positiven Winden“, die die EU nutzen sollte, um ein „stärkeres Europa“ zu schaffen. Doch es wird nur mehr Europa geben, wenn die Europäer das zulassen. Dazu braucht es aber ein Europa der Bürger, nicht der Banker!
Von Rui Filipe Gutschmidt
Ein recht optimistischer Kommissionspräsident Juncker hielt seine Rede zur Lage der Europäischen Union im EU-Parlament in Strassburg. Dabei sprach er davon, dass die EU die „günstigen Winde“ ausnutzen muss, um ein „stärkeres“ Europa zu schaffen. Dabei stellte er 5 Punkte in den Vordergrund: Handel, Industrie, Klimawandel, Sicherheit im Cyberspace und die Migrationsproblematik sind die Schwerpunkte, die sich Juncker für 2018 vorgenommen hat.
„Der Wind ist wieder günstig, wir haben jetzt ein Fenster für eine Gelegenheit, aber es ist nicht für immer geöffnet. Lassen Sie uns das Beste aus dem guten Moment und dem Wind in unseren Segeln machen“, sagte der Präsident der EU-Kommission.
In Sachen Handelsbeziehungen soll der „Trump-Effekt“ für eine Art Emanzipation von den USA sorgen. Neue Handelsverträge mit Australien, Neuseeland und vielen mehr sollen die Grundlage für eine „stärkere und wettbewerbsfähigere“ Industrie bilden. In einem Seitenhieb gegen die Autoindustrie sprach er davon, dass die Verbraucher respektiert werden müssen, statt sie hinters Licht zu führen.
Dazu kommt noch ein klarer Wunsch nach einer Machterweiterung der EU-Institutionen. Dabei soll, ähnlich wie mit dem „EU-Außenminister“, das Amt eines EU-Finanzminister geschaffen werden. Derzeit wäre dies der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, der Franzose Pierre Moscovici. Die Vorsitzende des Bloco Esquerda in Portugal, Catarina Martins, sagte am Rande der Verhandlungen für den Haushalt 2018 Portugals, dass die EU mir Wolfgang Schäuble schon so etwas wie einen Finanzminister hatte. Es war keine positive Erfahrung für Portugal, Griechenland, Zypern und ihresgleichen.
Auch die Pläne für eine Erweiterung des Schengenraums und der Eurozone stoßen auf wenig Gegenliebe, zumal die Union den EU-Bürgern nichts zu bieten hat, außer Steuern, Abgaben, Arbeitslosigkeit oder Dumpinglöhne. Eine neoliberale EU, mit Polizei und Justiz, die im Namen der „Terrorgefahr“ unser aller Leben ausspioniert und die Bürgerrechte jederzeit einschränken kann? Eine EU der Hochfinanz, dominiert von den Interessen der Lobbyisten, bei der die Bürger als potentielle Kunden, Arbeitskräfte oder unerwünschte Kostenfaktoren eingestuft werden, ist für „die Märkte“ leichter zu kontrollieren, wenn eine starke Zentralverwaltung das Sagen hat.
Banken und Währungsunion, einheitliches Steuerrecht, ein nach obenhin angeglichenes Lohnniveau und eine basisdemokratische Verwaltungsstruktur würde da schon ganz anders klingen. Ist ja erstmal logisch, dass mit Juncker, Schäuble, Macron oder Merkel, ein solches nicht möglich ist. Mehr Europa werden die EU-Bürger erst dann akzeptieren, wenn sich genug Vertrauen aufgebaut hat, um ein solches Unterfangen in Angriff zu nehmen. Doch leider könnte diese in Nationalegoismus, Vetternwirtschaft und Lobbyismus fundierte EU derzeit wohl kaum unser Vertrauen gewinnen. Demnach, bevor Herr Juncker über mehr EU nachdenkt, sollte er die EU den Bürgern übergeben und somit demokratisch, human machen, was leider als Machtinstrument über 500 Millionen Menschen missbraucht und somit pervertiert wird.
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