Das Fest der Fogaceiras – über 500 Jahre Tradition im Schatten der Burg

Burg von Santa Maria da Feira – Bild: Rui Filipe Gutschmidt ©

In Santa Maria da Feira gibt es jedes Jahr ein großes Stadtfest, das Fest der Fogaceiras, zu Ehren des Heiligen Sebastian (São Sebastião). Im Jahre des Herren, anno 1505, wütete eine Pest (Gelbfieber) in den Terras de Santa Maria. Die Stadtväter wandten sich in ihrer Not an den Heiligen São Sebastião. Sie legten ein Gelübde ab, dass sie zu seinen Ehren die Armen speisen würden, wenn sie von der Pest  verschont blieben. So war es denn auch, dass die Pest an der Vila da Feira vorüber ging. Seit einem halben Jahrtausend Backen die Konditoren und die Bäcker der Stadt ein Zuckerbrot, die Fogaça, die dann in einer Prozession von den Jungen Mädchen der Stadt in die Kirche getragen werden, um sie zu segnen. An jedem 20. Januar werden die, die weniger Glück im Leben hatten, mit der gesegneten Speise bedacht.

Von Rui Filipe Gutschmidt 18. Januar 2018
Es sind die jungen Mädchen, die in traditioneller Kleidung die Fogaças auf ihren Köpfen, vom Rathaus in die Kirche tragen. In all den Jahrhunderten viel das Fest nur 4 mal aus. Man soll die Feste ja bekanntlich feiern, wie sie fallen. Tatsächlich sind die Stadtfeste meist im Sommer, doch Feira bildet dahingehend eine Ausnahme. Die Stadtheiligen wie São João (Porto), Santo António (Lissabon) und São Pedro (Coimbra) sind dem Portugiesen so wichtig, wie dem Brasilianer (und dem Rheinländer) der Karneval. Der Faschingsdienstag wiederum ist nur in einigen Städten wichtig und  im öffentlichem Dienst wird den Angestellten nur dort gestattet, einen oder zwei Tage Urlaub zu nehmen. Die Karnevalhochburgen Ovar, Albufeira und Funchal u.a. haben ihren Angestellten der Stadt den Urlaubstag genehmigt. Diese Feste sind nämlich, so die Bürgermeister, ein wichtiger Antrieb für die Lokalwirtschaft.

Auch für Santa Maria da Feira ist das Fest der Fogaceiras, (übrigens die Bezeichnung der Mädchen, die an der Prozession teilnehmen) ein wichtiger Faktor im Erhalt der Lokalwirtschaft. Mag ja sein, dass viele Geschäfte am 20. schließen, doch die Bäcker machen genug Umsatz, um einen guten Start in das neue Jahr zu haben und auch bei Hotels und Restaurantes klingeln die Kassen an diesem Festtag. In ganz Portugal und über die Landesgrenzen hinaus, besonders in Spanien, bekannt, ist das Fest eine weitere Tourismusatraktion der Stadt, neben Mittelalterfest, Straßentheater Festival „Imaginarius“, „Perlim – Das Land der Träume“ (Weihnachtsthemenpark), und vielen weiteren  Events, die meist im Schatten der mittelalterlichen Burg stattfinden. Tausende von Besuchern kommen in die Stadt und spülen Geld in den Stadtsäckel. Da die Stadt immer mehr Bürgern finanziell helfen muss, ist das Geld auch nötig. Auch die Restauration, die Bäcker, Konditor und Cafébesitzer können nach dem Fest wieder durchatmen. Denn sie hatten es nicht leicht, in letzter Zeit. Rauchverbot, bzw. einen Abzug einbauen, Preiserhöhungen von Strom, Gas, Wasser, eigentlich fast allem, Mehrwertsteuer von 16% auf 23% und vor allem, Kunden die ständig Pleite sind und immer weniger konsumieren. Das Luxussegment ist das einzige, was sich noch hält, auch wenn es wieder bergauf geht.

So ist alles, was diesem Volk etwas Freude macht, willkommen. Auch Arbeit ist sehr willkommen, in einer Zeit, in der es wieder Arbeit gibt, diese aber prekär und schlecht bezahlt wird. Der Herr Pinto, Besitzer des Cafés Renascer, hat die Tage alle Hände voll zu tun. Mit seiner Frau, seiner Tochter und weiteren Angestellten, hält er den Laden über Wasser. Sie haben schon bessere Zeiten gesehen, aber er lässt sich nicht klein kriegen. Ich bekam die Auswirkungen der Krise mit, da wir gut befreundet sind. So habe ich auch einen Blick in die Backstube werfen können, ja sogar das Geheimnis der Fogaça sehen dürfen. Nein, ich werde es nicht verraten. Nur so viel, die vier Knubbel auf der Fogaça repräsentieren die 4 Türme der Burg von Feira. Eine Besonderheit in der Militärarchitektur des 12. Jahrhunderts.

Herr Pinto und seine charmante Gehilfin beim Mittelalterfest – Bild: Rui Filipe Gutschmidt ©


Letztes Jahr, wie die Jahre zuvor, war ich in seinem Café und gab „moralische Unterstützung“. 2015 Schrieb ich:

Die Fogaças gehen jedenfalls weg wie warme Semmeln. Pardon, warme Fogaças! Der Andrang im Café des Herrn Pinto wurde immer größer und ehe ich mich versah, habe ich Fogaças eingepackt, die Backbleche zurück in die Backstube getragen, die nächste Fuhre gleich mit heraus gebracht und das ganze ging von vorne los. Gerade noch saß ich an seinem PC und tippte diesen Artikel und schon wurde ich zum Hilfskonditor gemacht. Ja, das Fest gibt den Leuten Arbeit und dadurch Geld. Die Mädchen sind ganz stolz auf ihre wichtige Aufgabe, die Mütter haben Tränen in den Augen, die Omis weinen direkt darauf los und die Väter und Großväter sind die reins
ten Nervenbündel. In der Kirche und im Rathaus werkeln Hunderte von Freiwilligen und bereiten emsig den großen Tag vor. Eine mittlere Fogaça (650 gr) kostet 5€, eine große (1500 gr) 10€. Das ist viel Geld, beträgt der Preis für ein normales Frühstücksbrötchen doch nur 10 – 12 Cent. Man kann sich denken, dass sich die wenigsten ein so teures Gebäck leisten können. Aber einmal im Jahr? Das geht schon. Die, die es sich nicht leisten können, müssen aber nicht darauf verzichten, da die Tradition ja gerade für diese Menschen da ist. Nach der Messe, werden die gesegneten Fogaças an alle verteilt und die gesamte Gemeinde speist genüsslich das gesegnete Brot. Dar es schon spät ist und ich auch meine Scheibe abbekommen möchte, werde ich mich von Herrn Pinto verabschieden und auch zu ihnen, liebe Leser, sage ich „wir sehen uns in Santa Maria da Feira“.

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