Ausnahmezustand in Rio de Janeiro – Zensur beim Karnevalsumzug

Vampirdarsteller beim Interview mit ängstlicher Miene – Screenshot YouTube
In Brasilien wird die Demokratie von der korrupten Regierung Temer – alias „der Vampir“ – im Klo heruntergespült. Politische Anspielungen wie die der Sambaschule Paraiso do Tuiuti am Rosenmontag, sind eigentlich – wie auch bei uns – gang und gebe. Der traditionelle Umzug der sechs besten Sambaschulen am Samstag wurde aber vom TV-Globo verschmäht und die Kritik der Tuiuti zensiert! Die Diktatur lässt grüssen.
Von Rui Filipe Gutschmidt – 20. Februar 2018
Brasiliens Karneval wurde zensiert, was ein Unding für die meisten Brasilianer ist. Jedes Jahr überträgt der größte private Medienkonzern des Landes, mit TV Globo, den Rosenmontagszug und die Siegerparade (eine Jury bewertet die Teilnehmer) am darauf folgenden Samstag, in Rio de Janeiro. Der Karneval in Rio ist seit Jahrzehnten weltberühmt und seine spärlich bekleideten Sambatänzerinnen gelten als Ausdruck brasilianischer Lebensfreude und Sinnlichkeit. Das kurbelt wiederum den Tourismus und damit einen wichtigen Wirtschaftszweig des Landes an. Daher ist der Karneval eine todernste Sache für den Brasilianer, der selbst zur Zeit der Diktatur mit politischer Satire auftreten konnte.
Doch dieses Jahr stotterten die Kommentatoren der TV-Globo, als die Sambaschule Paraíso do Tuiuti mit ihrer eindeutigen Kritik aufmarschierte. Sklaven zogen einen Wagen, während von großen Händen gesteuerte und auf Kochtöpfen trommelnde Demonstranten im Nationaltrikot an Marionettenfäden und gelbe „Enten“ als Bezug auf die von den Neoliberalen organisierten Proteste gegen Präsidentin Dilma repräsentieren. Die verschwanden einfach (gab wohl Entenbraten…) und der Höhepunkt – „Der neoliberale Vampir“ – verlor auf mysteriöse Weise sein Präsidentenband, was ihn als Präsident Michel Temer identifizierte. Doch der Mann hat keinen Humor! Zumindest nicht wenn sich die Kritik gegen ihn persönlich richtet.
TV Brasil übertrug die Siegerparade also und die Kameraeinstellungen waren unwürdig einer staatlichen TV-Station. Mag sein, dass dies auf Grund der Improvisation geschah, da ja TV Globo die Parade hätte übertragen sollen. Im Interview beklagt sich der Darsteller des Vampirs über „die komplizierten Zeiten“, die in Rio de Janeiro herrschen und dabei sah man ihm sein Unbehagen an. Mehreren Quellen zu Folge – die Info-Welt nicht überprüfen kann – gab Temer persönlich Anweisungen, damit der Generalsekretär seines Kabinetts der Sambaschule droht. Welche Drohungen konkret ausgesprochen wurden ist aber Unklar.
Dennoch, und obwohl die Angaben zu Drohungen und einer Zensur nur vage sind, ist es eine unumstößliche Tatsache, dass der Vizemeister des Sambadroms 2018, Paraiso do Tuiuti, die größten Knaller und damit die stärkste Kritik am aktuellen Regime in Brasilia wegließ. Die Kritik an Michel Temer, dem größtenteils korrupten Senat und Abgeordnetenhaus, der Justiz und der neoliberalen Politik im Dienste multinationaler Großkonzerne mit Zentrum in den USA, wird vor allem in Rio de Janeiro immer lauter. Da die Olympiastadt pleite ist und in den Favelas, den Armenvierteln der Stadt, die Drogenkartelle „regieren“, ist die Unzufriedenheit in der Touristenhochburg auf dem Zenit. Die 30.000 Soldaten, die Temer in die Stadt geschickt hat, um „die Ordnung wiederherzustellen“ vermitteln bei vielen Bürgern aber eher den Eindruck eines Militärputsches. Bei den älteren Bürgern ist die Erinnerung an die Militärdiktatur noch hellwach und Soldaten in den Straßen von Rio lassen das schlimmste vermuten.
Die Soldaten sollen mindestens bis Ende des Jahres in Rio de Janeiro bleiben. Das kann auch ein Versuch vom Vampir Temer sein, auf unbestimmte Zeit im Präsidentenamt zu verharren und auf Wunsch der neoliberalen Politik die hinter seiner Regierung steht, sich an der Macht zu verewigen, wodurch praktisch alle Bodenschätze und Reichtümer, die im Besitz Brasiliens sind, den multinationalen Großunternehmen in den Schoss fallen.
Doch machen wir uns nichts vor. Seit der Wiederwahl von Dilma Rousseff, den Vorwürfen des Wahlbetrugs, den Korruptionsprozessen gegen ausgewählte Bauernopfer und vor allem linken Politikern, dem Impeachment (Amtsenthebung) von Dilma Rousseff und all den schmutzigen Machenschaften der jetzigen Machthaber, ist Brasilien eine Scheindemokratie. Der Vizepräsident Temer riss die Amtsgeschäfte an sich, kauft Politiker und sogar eine Mehrheit im Senat um seine Immunität zu behalten und nicht vor Gericht zu landen und finanziert das ganze durch den beispiellosen Ausverkauf der Reichtümer Brasiliens. Gegen die linke Opposition geht man mit allen nur erdenklichen Mitteln vor – bislang noch ohne Folter und Mord – und die Kontrolle der großen Medienkonzerne soll die Neoliberalen und Ultrakonservativen an der Macht halten. Karnevalstypisch ausgedrückt: „Die Demokratie in Brasilien wird im Klo heruntergespült!“

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