Späte Aufarbeitung der Vergangenheit?-Francos Exhumierung

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Der 24. August 2018 ist ein historisches Datum für Spanien. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE, Spanische Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens) hat beschlossen, die sterblichen Überreste des vor 43 Jahren verstorbenen und in einem Mausoleum im „Tal der Gefallenen“(Valle de los caidos) beigesetzten spanischen Diktators Francisco Franco zu exhumieren. Sein Leichnam soll an einem noch nicht bekannten Ort bestattet werden.

Jairo Gomez – 27. August 2018


Alte Wunden sollen geschlossen werden

Damit beginnt ein neues Kapitel in der Vergangenheitsbewältigung des von Krisen gebeutelten Spaniens. Sánchez erklärte, dass ein Land das in die Zukunft blicken will, seinen Frieden mit der Vergangenheit gemacht haben muss. Keine Demokratie könne sich Denkmäler erlauben, die eine Diktatur verherrlichen. Die Regierung handele mit angemessener Gelassenheit um den Opfern des Franquismus und der Demokratie ihre Würde zurückzugeben. Die Wunden die das Land erlitten habe, hätten zu viele Jahre offen gelegen. Es sei der Moment gekommen sie zu schließen. Die Demokratie in Spanien müsse Symbole haben, die die Bürger vereine und nicht entzweie. Es sei dringend zur Tat zu schreiten, denn man sei spät dran. Mehrere Gelegenheiten hätte man verstreichen lassen, statt auf das spanische Parlament, auf die UNO und auf Experten zu hören. Die aktuelle Regierung wolle damit nicht mehr länger warten.

Ein Grab für 33.000 Gefallene

Nach dem spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), ordnete Franco per Dekret den Bau eines monumentalen Denkmals an. Es sollte den Gefallenen des Bürgerkrieges gewidmet sein und gleichzeitig ein Symbol für den Sieg des Franquismus sein. Bei dem „Nationalmonument des Heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen“ handelt es sich um das größte freistehende Kreuz der Welt. In der Höhe misst es 155 Meter, in der Breite 44 Meter. Es steht auf einem Berg, in den eine künstliche Höhle getrieben wurde, in dieser befindet sich eine Basilika mit einer Länge von 263 Meter. Darin ruhen die Gebeine von 33.000 Gefallenen, die Überreste des Gründers der faschistischen Bewegung Falangue, José Antonio Primo de Rivera und von Diktator Francisco Franco.

Die Arbeitsbedingungen waren äußerst schwierig. Ein fast chronischer Mangel an Baumaschinen verzögerte die Fertigstellung. Die Bauzeit betrug 19 Jahre. An den Arbeiten waren auch etwa 20.000 politische Gefangenen beteiligt. Als Belohnung war ihnen vom Franco-Regime eine Haftverkürzung zugesagt worden. . Ein Jahr nach der Einweihung, 1960 erhob Papst Johannes XXIII, die eingelassene Kirche zur Basilika. Dieser Akt wirft erneut ein schlechtes Licht auf den Vatikan, müsste man doch dort gewusst haben, wer den Löwenanteil an der Arbeit erbracht hatte.

Nach dem Tod Francos 1975 wurde das Baudenkmal zu einem Wallfahrtsort für Spaniens Faschisten. Bis heute hat sich nichts daran geändert, was zur Spaltung der Bevölkerung beiträgt.

Mauer des Schweigens

Das Spanien nach dem Ende der Diktatur nie wirklich zur Ruhe gekommen ist, liegt meines Erachtens nach nicht zuletzt daran, dass es keinerlei ernsthaft betriebene Vergangenheitsbewältigung gegeben hat. Im Gegenteil, selbst der erste sozialistische Ministerpräsident Spaniens, Felipe González verhinderte ein solches Unterfangen. Er argumentierte damit, dass der Bürgerkrieg eine Sache der Vergangenheit und ein abgeschlossenes Kapitel in der Geschichte des Landes sei. Kein Verbrechen aus dem Bürgerkrieg oder aus Zeit der Diktatur wurde je geahndet, kein Täter verurteilt oder bestraft. Noch heute befinden sich Folterer und Mörder aus der Franco-Ära auf freiem Fuß.Die junge Generation, die die Diktatur und den vorhergegangenen Bürgerkrieg nicht erlebt hat, begann jedoch Fragen zu stellen.Sie fragten nach dem Verbleib von Großeltern, Vätern und anderen Familienmitgliedern, die sie nie kennengelernt hatten. Damit trieben sie tiefe Risse in die bis dahin bestehende Mauer des Schweigens und riefen vergessene Ängste hervor. Auf Seiten der Opfer, die Angst vor Repressalien durch die Täter von gestern und unter den Tätern, die Angst nach den vielen Jahren des Vergessens, doch noch bestraft zu werden.

Hinterbliebene und fragende Jugend bauten so lange Druck auf, bis schließlich, unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten José Luís Rodriguez Zapatero eine Phase der Vergangenheitsbewältigung begann. Das Justizministerium stellte Gelder bereit um nach Massengräbern aus dem Bürgerkrieg und der Zeit der Diktatur zu suchen. Es erstellte eine Landkarte, in der bis 2011 Massengräber aus Kriegszeiten und der Diktatur eingezeichnet wurden.

Bis 2011 wurden auf spanischem Territorium 2591 Massengräber gefunden. 120.000 Leichen wurden exhumiert und teilweise identifiziert. Das bis dato größte Massengrab befindet sich in Francos Mausoleum. Von ihnen wurden bis jetzt ca. 12.000 nicht identifiziert. Es wird vermutet, dass es sich bei den meisten der 12.000 um Gef
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Republikaner handelt. Vermutlich wurden ihre Gebeine für Propagandazwecke gebraucht. Weil nicht genug gefallene Faschisten verfügbar waren, wurden aus ganz Spanien Republikaner aus ihren anonymen Massengräbern geholt und im Mausoleum beigesetzt. nicht genug faschistische Gefallene hatte und deshalb Republikaner aus ganz Spanien aus ihren anonymen Massengräbern holte und sie im Mausoleum beisetzte. All das geschah ohne die Erlaubnis der Familienangehörigen der bereits identifizierten Leichen einzuholen.

Horror-Eisberg aus Leichen

2011 führten die Parlamentswahlen zu einem Regierungswechsel. Neuer Ministerpräsident wurde Mariano Rajoy von der rechtskonservativen Partido Popular (PP). Unter Rajoy strich das Innenministerium sämtliche Unterstützungen für die Suche nach Opfern des Franquismus. Die namenlosen Toten blieben verscharrt in Straßengräben, irgendwo in den Bergen und Wäldern Spaniens und man kehrte zur alten Politik des Schweigens zurück. Der Horror-Eisberg aus Leichen dessen sichtbare Spitze das Mausoleum des alten Diktators bildete, schwamm weiter, als sei nichts gewesen. Immer ungenierter zogen in den letzten Jahren zu jeder sich bietenden Gelegenheit franquistische Horden durch die Straßen Spaniens. Das in Kraft Treten des im Volksmund als „Knebelgesetz“ bezeichneten Gesetzes zum Schutz der Bürger trug zur Stärkung des Gefühls bei, Spanien bewege sich in der Zeit zurück, hin zur Diktatur.

Noch im März diesen Jahres lehnte die Regierung von Rajoy den Gesetzesentwurf der PSOE ab, nachdem alle im Mausoleum liegenden Toten exhumiert werden sollten, inklusive die sterblichen Überreste der beiden faschistischen Führer. Als Grund für die Absageführte die Regierung die hohen Kosten von rund 213 Millionen Euro an, in denen unter anderem Entschädigungen für Hinterbliebene, DNA Tests zur Identifikation, Gehälter für die Experten über ungefähr 2 Jahre und Beisetzungskosten einkalkuliert wurden.

Das „Lebenswerk des Diktators“

Als bekannt wurde, dass die 1976 gegründete „Nationale Stiftung Francisco Franco“ finanzielle Zuwendungen von der Regierung erhielt, löste das zahlreiche Proteste innerhalb der Bevölkerung und der parlamentarischer Opposition aus. Die private Stiftung hat das Ziel, das Andenken an das „Lebenswerk des Diktators“ zu erhalten und zu verbreiten. Schirmherrin und Ehrenpräsidentin war bis zu ihrem Tod, Carmen Franco y Polo, die Tochter Francos. Aktueller Präsident ist der ehemalige Adjutant des emeritierten Königs Juan Carlos de Borbón y Borbón.

Kern der Stiftung ist das persönliche Archiv Francos- Es umfasst rund 30.000 Dokumente (300.000 Seiten) unterschiedlicher Natur, darunter befindet sich die Korrespondenz mit anderen Staatschefs, Gesetzentwürfe, persönliche Notizen und laut Aussage der Regierung, Dokumente die Staatsgeheimnisse enthalten. Die Stiftung behauptet, all diese Unterlagen und Schriftstücke seien der Öffentlichkeit zugänglich. Mehrere Historiker gaben gegenüber der Presse allerdings an, dass man ihnen den Zugriff auf das Archiv wiederholt verweigert habe. Damit wurde ihnen eine der wichtigsten Informationsquellen genommen, um eine korrekte Aufarbeitung der Vergangenheit zu betreiben. Wer wenn nicht der Diktator höchst selbst könnte Beweise für seine Verbrechen und die seiner Helfer liefern?

Die Francostiftung hat der Regierung Sanchez mit juristischen Konsequenzen gedroht, falls die Umbettung tatsächlich vorgenommen würde. Es bleibt auch abzuwarten, wie die Mitglieder ultrarechter Bewegungen auf das Ansinnen der Regierung reagieren werden.

Eine zweite Chance

Mit dem Dekret der spanischen Regierung, den Diktator Franco aus seiner bisherigen Ruhestätte zu entfernen, bietet sich die Chance, den Opfern des Franquismus gegenüber Gerechtigkeit zu üben. Anders als beispielsweise in Deutschland bei den Nürnberger Prozessen und späteren Gerichtsverhandlungen, musste sich in Spanien niemand vor Gericht verantworten. Als Franco starb, gingen viele Menschen als Faschisten ins Bett und standen am Morgen danach als Demokraten auf. Sie passten sich der Entwicklung eines sich immer mehr demokratisierendes Europas an, um nicht in der wirtschaftlichen und politischen Isolation zu bleiben. Ihr Denken veränderte sich allerdings nicht und so waren sie in der Lage ihr Gedankengut über Jahrzehnte an folgende Generationen weiterzugeben und letztendlich in Spanien eine Fassadendemokratie zu installieren. Verbrechen die während und nach dem spanischen Bürgerkrieg verübt wurden, blieben so bis heute ungesühnt.

Meines Erachtens sind nicht nur die Verbrecher und ihre Taten in Spanien zu verurteilen, sondern auch die EU, NATO und ihre Vertreter. Nur allzu schnell nahm man Spanien in die europäische Staatengemeinschaft auf. Man sah Spanien als einen neuen großen Absatzmarkt und ein für die NATO strategisch wichtiges Land an. Das allein genügte für die Aufnahme. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des Krieges und der Diktatur verübt wurden, spielten offensichtlich keine Rolle und man überließ es den Spaniern sich damit auseinanderzusetzen. Lediglich die UNO forderte 15 Jahre lang von Spanien Aufklärung. Sanktionen gegen das Land, das hinter Kambodscha die meisten Massengräber aufzuweisen hat, gab es keine.

Um mit den Worten des neuen spanischen Ministerpräsidenten zu schließen, ein Staat oder eine Staatengemeinschaft kann nicht in die Zukunft blicken, wenn die Vergangenheit nicht bewältigt worden ist und man ihren Frieden mit ihr gemacht hat. Es reicht nicht aus steinerne Symbole den Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen. Es ist erforderlich, sich eine Denkweise anzueignen, die von Humanität und Achtsamkeit gegenüber unserer Mitwelt geprägt ist. Geschieht das nicht, befindet man sich auf einer Schussfahrt in die dunkelste Vergangenheit.

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