Albtraum-Schule in Deutschland – Portugals Bildungssystem könnte Vorbild sein

Schule 1876 - Bild von Tekniska museet CC BY 2.0

Hurra, hurra die Schule brennt!“… Bald ist es wieder so weit. Wir schicken unsere Kinder in die Schule und das Deutsche Bildungssystem wird für viele Kinder wieder zu einem einzigen Albtraum. Seit meiner Schulzeit hat sich nicht viel geändert. Und in Portugal? Die Nelkenrevolution 1974 hat ein elitäres Schulsystem der Diktatur in ein demokratisch vorbildliches System mit sozialistischer Grundeinstellung verwandelt. Doch den Portugiesen fehlt das Geld und den Deutschen der politische Wille…
Rui Filipe Gutschmidt – 3. September 2018
Ein neues Schuljahr beginnt und in Deutschland werden wieder Millionen Kinder in die „Schubladen“ eines fast 200 Jahre alten Schulsystems gesteckt, dass ihren künftigen Weg von klein an vorbestimmt. Die kapitalistische Propaganda will uns weismachen „jeder sei seines Glückes Schmied“. Das ist völliger Blödsinn. Ein paar Menschen werden in reiche, mächtige Familien geboren und ihr Weg wird ihnen von klein an erleichtert. Kindermädchen, Privatschulen und Eliteunis stehen ihnen offen und wenn sie immer brav den vorgezeichneten Weg gehen, dann werden sie ebenfalls eine der Machtpositionen übernehmen und dafür sorgen, dass ihre Kinder den gleichen Weg gehen.
Wer wiederum in Armut zur Welt kommt und keine mächtige Familie hinter sich hat, der muss sein Leben lang kämpfen und selbst dann ist ein Aufstieg an die Spitze der Gesellschaft mit legalen Mitteln fast nicht möglich. Der „Amerikanische Traum“ aber soll nicht nur in den USA den Menschen vormachen, dass es erstrebenswert ist so viele Reichtümer anzuhäufen wie es geht. Auch im Rest der Welt wird dieser Egoismus propagiert und in Deutschland, wie auch im übrigen Europa, ist diese Mentalität ein fester Bestandteil der Erziehung und des Bildungssystems.
In Deutschland ist das Schulsystem aber im Widerspruch zu dieser Philosophie, da es noch immer die Züge der Feudalgesellschaft trägt. Ich rede von der Unterscheidung zwischen dem Gymnasium, der Mittel- oder Realschule und der Hauptschule, die früher Volksschule hieß. In der 4. Klasse entscheidet sich das Schicksal der Kinder bereits und „eine 2. Chance“ bekommen sie in der 6. Klasse. Ja, man kann jederzeit den zweiten Bildungsweg gehen oder die Abendschule besuchen… Doch in Wahrheit ist das ganze System eine Selektion, die nicht immer nur Leistung bewertet. Es ist nicht selten auch eine Frage der Herkunft.
So gingen in meiner Schule die Kinder der Ärzte, Lehrer, Beamte, Unternehmer und so weiter, auf das Gymnasium, während die Kinder der Fabrikarbeiter, unter ihnen viele Gastarbeiter, zurückblieben. Auf die Realschule ging kaum jemand. Kein Einzelfall und geändert hat sich bis heute nur wenig daran. Viele werden jetzt sagen, dass das nicht in ganz Deutschland so ist, es immer mehr Gesamtschulen gibt und in Deutschland auch alternative Wege gegangen werden. Und wie Wowie sagen würde, dass ist auch gut so. Doch trennen die meisten Gesamtschulen trotzdem in Gymnasium und Mittelschule. Auch Integration ist in den meisten Schulen ein Fremdwort. Kinder mit Behinderung werden mit Kindern die eine Lernschwäche aufweisen (oft auf Grund von Familiären Problemen) in Sonderschulen abgeschoben.
Die Berufsschule ist auch so eine Sache. Wer eine Lehrstelle bekommt, darf drei bis vier Jahre als Sklave für ein Taschengeld arbeiten und geht dann einmal die Woche in die Schule. Ein Überbleibsel aus der Feudalgesellschaft, als das Handwerk noch „goldenen Boden“ hatte. Doch heute erfindet man Lehrberufe, weil man sich so die billigen Arbeitskräfte sichern kann, die nicht selten subventioniert werden, nur um die Jugendlichen aus der Statistik und von der Straße zu bekommen. Nach der Lehre kommen sie aber genau dahin und dort treffen sie auf die Studienabgänger, die ebenfalls von Praktikum zu Praktikum gejagt werden.
Es gibt natürlich viele, die der Meinung sind, es müsste ja Unterschiede geben, da nicht jeder studieren kann. Man braucht auch einfache Arbeiter. Aber müssen die deshalb gleich so viel weniger lernen und schon in der 4. Klasse, oft nach sozialer Herkunft getrennt werden? Die deutschen Schulen werden von vielen Organisationen getadelt und meiner Meinung nach zurecht. Gemeinsam mit anspruchslosen Unterhaltungsmedien bilden deutsche Hauptschulen einen Verdummungsmechanismus, dessen Resultat wir unter anderem in Chemnitz zu sehen bekamen. Es geht auch anders, wie man in Asien sieht oder auch in Portugal.
Die Portugiesen haben Geldprobleme und die Schulen könnten sicher auch besser organisiert werden, aber im Vergleich zu Deutschland ist Portugals Bildungssystem in vielerlei Hinsicht besser. Die Kinder lernen wie wichtig Demokratie, Toleranz, Solidarität ist. Es werden Wahlen für den Schülerrat organisiert, der nach Vorbild der Universitäten, ein Mitspracherecht hat. Kinder mit Behinderung werden in die Klassen integriert und die Mitschüler helfen den Betreuern, jedem Kind das Recht auf Schulbildung zu garantieren.
Es gibt also kein Gymnasium und Berufsschule ist auch nur Teil des selben Schulsystems. So gehen alle bis zur 9. Klasse auf die selbe Schule und können dann in der 10. Klasse ihre Berufsrichtung entscheiden. Wobei man hier die Angebotspalette zu erweitern versucht, um mehr praktische Ausbildungen anzubieten, die auch gebraucht werden. Die Konservativen und (Neo)-Liberalen in Portugal wollen das Schulsystem aber dem System dem der Deutschen anpassen. Vor allem die Lehre, wollen sie einführen, da dies „praktische Berufsausbildung“ garantieren würde. Für die Eliten, wollen sie die Privatschulen stärken und Eliteuniversitäten hervorheben. In den 4 Jahren, in denen sie mit der Troika das Land ruiniert haben, wurde das Schulsystem stark vernachlässigt. Die Privatschulen ihrerseits bekamen höhere Subventionen in der Zeit obwohl es für die meisten Dinge kein Geld gab.
Schule soll Kinder nicht in Schubladen stecken und sie in eine Klassengesellschaft integrieren. Schule soll selbstständig denkende und zum Wohl der Allgemeinheit handelnde Menschen hervorbringen, deren Stärken gefördert werden und denen geholfen wird mit ihren Schwächen besser umzugehen. Klar, dass der Neoliberalismus das nicht will. Doch wer sich als Demokrat bezeichnet – von Linksaußen bis Mitterechts – der muss sich für eine längst überfällige Schulreform in Deutschland einsetzen. Ein Bildungssystem, dass nicht auf der Bewertung und Aufteilung in Leistungsklassen beruht.

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