Die himmelschreiende Ungerechtigkeit
des Abtreibungsparagraphen § 218 ist nach wie vor Realität
Der Kampf für das Recht auf Selbstbestimmung war immer mit der Kritik an der herrschenden, kapitalistischen Gesellschaftsordnung verbunden.
So auch die Abtreibung und der § 218
. Nach der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 trat im Januar 1872 der § 218 des Reichstrafgesetzbuches in Kraft. Er sah bei Abtreibung eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren vor.
Seitdem war es für viele Frauen unmöglich, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden, die Abtreibung trotz des Risikos einer Bestrafung durchführte. Deswegen sahen sich, vor allem Frauen der unteren Schichten gezwungen, den Eingriff von Laien durchführen zu lassen oder ihn selbst zu vollziehen, was schlimmstenfalls und nicht selten mit dem Tod endete.
Hosteni – 19. Juli 2019
zur Verfügung gestellt von AmericanRebel
Den meisten Frauen der ersten sozialistischen Frauenbewegung war die himmelschreiende Ungerechtigkeit des § 218 ebenso klar wie einigen Frauen aus bürgerlichen Frauenorganisationen. Mit dem Slogan „Dein Bauch gehört dir“ stritten Frauen um die Jahrhundertwende für die Freigabe des Abbruchs. Sie wussten schon lange, dass restriktive Gesetze nicht dazu führen, dass weniger Schwangerschaften abgebrochen werden, sondern dass der Schwangerschaftsabbruch zum Risiko wird, vor allem für arme Frauen. Vermögende Schwangere haben sich schon immer medizinisch einwandfreie Abtreibungen leisten können. Frauen wandten sich auch immer dagegen, dass das Strafrecht Frauen als Verantwortliche schwer bestraft, während die Ehegesetze sie zu rechtlosen Objekten machen, denn Ehemänner in der BRD durften ihre Frauen bis 1997 straflos vergewaltigen. (Übrigens durften z. B Lehrer in der BRD Schulkinder bis in den 70iger Jahre straflos prügeln!)
Schon einmal, in der Weimarer Republik, gab es eine Massenbewegung gegen den § 218. 1920 bringt die sozialdemokratische Fraktion einen Antrag, der die Straffreiheit für Abtreibung während der ersten drei Monate beinhaltet, in den Reichstag ein. Der sozialdemokratische Justizminister Gustav Radbruch, der den Satz prägte: »Es hat noch nie eine reiche Frau wegen § 218 vor dem Kadi gestanden«, kämpft im Bündnis mit Liberalen und Kommunisten vergeblich gegen die Reaktion, die nach dem verlorenen Krieg nach Rache ruft und dazu zuförderst Rekruten benötigt. Justiz und Polizei entfesseln wahre Treibjagden, um Abtreiberinnen aufzuspüren. Z.B. werden in Stuttgart alle Hebammen vernommen. 1924 fordern im Reichstag nur noch Kommunisten und Liberale die Freigabe der Abtreibung. Gustav Radbruch resigniert. »Die Sozialdemokraten weisen …daraufhin, daß es in ihrer Fraktion keine einheitliche Meinung zum §218 gäbe. Die Stellung hierzu sei eine Gewissensfrage, die jeder einzelne für sich zu beantworten habe«.
1927 wird im Reichstag eine Gesetzesnovelle diskutiert, die Strafmilderung für Vergehen gegen den § 218 vorsieht. 1929 wird das Abtreibungsstück »Cyankali« des kommunistischen Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf in Berlin uraufgeführt. 1931 werden Friedrich Wolf und die Ärztin Jacobowitz-Kienle wegen angeblicher Abtreibung verhaftet. Die Verhaftungen lösten Massenproteste aus. Doch die Befürworter der Reform: Liberale, Sozialisten, Kommunisten, sozialistische Ärzte und Juristen unterliegen gegen die Übermacht der reaktionären Rechten und deren Vertreter: Zentrumspartei, vaterländische Frauenverbände, konservative Ärzteverbände, die Kirchen und nicht zuletzt die Faschisten. Nach der faschistischen Machtübergabe >reformieren< die Nationalsozialisten den §218: in schweren Fällen Todesstrafe statt Zuchthaus und Freigabe der Abtreibung für »erbkranken« Nachwuchs.
In der BRD von heute existiert dieser § 218 weiter. Dagegen kommt es immer wieder zu Protesten und Widerstand. Eine ersatzlose Streichung dieses Paragrafen steht weiterhin auf der Tagesordnung.
Fünf Jahre nach Einführung der Fristenregelung in der DDR, wird das Stück, unter dem Titel »Maria und der Paragraph« für das Fernsehen mit hochkarätigen Darstellern neu inszeniert. Beide Werke sind auf einer DVD-Edition vereint. Wie wenig das längst vergangene, dunkle Kapitel der Rechtsprechung Geschichte ist, zeigt ein Blick über unsere Landesgrenzen: Selbst in einigen Ländern der Europäischen Union ist es sehr reale Gegenwart.
Maria und der Paragraph • (DDR 1974)
Ein Fernsehfilm nach Motiven des gleichnamigen Romans von Franz Krey
(Leseprobe aus dem Roman)
.In der Tradition des deutschen Arbeiterfilms der Weimarer Republik ein Drama um Not und Abtreibung. 1933 mussten Autor wie Hauptdarstellerin emigrieren, der Regisseur wurde 1942 vergast. Nach dem gleichnamigen Theaterstück von des Arztes, Schriftstellers und Politikers Friedrich Wolf (1888 – 1953). Der Arzt und Kommunist Friedrich Wolf verfasste 1928 die Streitschrift Kunst ist Waffe und setzte das ein Jahr später, zu Beginn der Weltwirtschaftskrise, in seinem Theaterstück CYANKALI plausibel um. Statt der Strafverfolgung bei Schwangerschaftsabbruch fordert er eine humane Gesetzgebung und tritt für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ein. Wenig später folgte die Filmversion von Hans Tintner, mehrfach verboten und schließlich von der Zensur freigegeben. Mit Machtübernahme der Nationalsozialisten verschwindet der Film aus den Kinos.
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Bilder und Bildunterschriften wurden komplett oder zum Teil von der Redaktion AmericanRebel hinzu gefügt.
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