Leseprobe aus „AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder“ anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung der DDR am 07. Oktober 1949
Der Autor Harry Popow wurde 1936 in Berlin-Tegel geboren, wuchs in der DDR auf, arbeitete als Militärjournalist im Dienstgrad Oberstleutnant in der NVA und betätigt sich heute als Blogger, Buchrezensent und Autor. Er ist seit 1961 sehr glücklich verheiratet.
Harry Popow – 31. August 2019
„Schild 76“: der Autor bei Waffenbrüdern
Juni 1976 muss sich der Unterabteilungsleiter von Wildpark-West verabschieden. Nun hat Henry einen längeren Weg zur Arbeit. Mit dem Sputnik, der Schnellbahn auf dem südlichen Ring um Berlin, muss er täglich in die Redaktion fahren. Der Chef hat ihn geholt. Zunächst wird er in der Abteilung Agitation eingesetzt, doch wie sich bald herausstellen wird, ist die kommentierende und agitatorische Strecke nicht sein Ding, weshalb er alsbald die Traditionsseite der Zeitung betreut, und das mit gutem Erfolg. Doch Truppeneinsätze als Reporter, die liebt er, da lebt er erst so richtig auf. Ihn freut es deshalb, als er mit nach Polen soll zur Übung „Schild 76“ – so nennt sich die gemeinsame Truppenübung von vier sozialistischen Armeen in Polen. Eine kleine Gruppe von Militärjournalisten hat sich in einem Erholungszentrum an einem See im nördlichen Polen (28.8. bis 16.9.76) zusammengefunden. Morgendliches Schwimmen im glasklaren Wasser eines einsamen Sees, umgeben von ausgedehnten herrlichen Wäldern, abendliches Beisammensein im Gemeinschaftszelt, schreiben wie die Teufel, und alles muss peinlich genau stimmen, da kennt unser Leiter der Truppe nichts. Während die anderen längst am „Amüsieren“ sind, da stecken die überaus peniblen DDR-„Deutschen“ noch die Köpfe zusammen und beraten und besprechen und, und, und. Später fliegt Henry mit einer sowjetischen AN-2, dem einzigen einmotorigen Doppeldecker der Welt (wurde, so glaubt Henry, zum Ende des 2.Weltkrieges gebaut und im Volksmund „Nähmaschine“ genannt) zur Endredaktion nach Warschau. Drei Tage dort. Tagsüber intensives Lesen und Korrigieren, abends Spaziergang auf Warschaus Hauptstraße, auf und ab. Henry bemerkt – im Gegensatz zur DDR – viele Blumenverkäufer auf den Straßen. Und in anderen Geschäften fällt ihm die Vielfalt an Lampen für schönes Wohnen auf. Wie gerne würde er hier mit Cleo promenieren und einkaufen … Dann aber in Zivil, versteht sich. Wie dumm er doch ist, oder besser gesagt, wie dienstvorschriftenhörig. Er hatte nämlich keine Zivilsachen mitgenommen. Der Tscheche, der Pole, der sowjetische Journalist, sie alle sind weniger blöd … Irgendwann machen sie auch ein Foto auf dem Alten Markt, der rekonstruiert wurde nach der vollständigen Zerstörung im Krieg. Rückflug ins Lager mit einer „Salonmaschine“ mit bequemen Sesseln. Oberst J. nickt wohlwollend, Henry habe in den deutschsprachigen Ausgaben keinen Druckfehler zugelassen. Und sonst? Keine nennenswerte Episode, keine Komik, kein Witz des Tages? Und ob. Henry hat ihn erlebt, als einziger. Eines nachts – man schlief zu dritt in einem Hoch-Parterrezimmer mit Balkon – wacht er plötzlich von einem unbestimmten Unruhegefühl auf. Er sieht mit verschlafenen Augen eine dunkle Gestalt hinter den Fenstervorhängen. Sie schält sich hervor. Henry atemlos. Was nun? Was tun? Die anderen drei schlafen fest. Und auf dem Tisch neben dem Fenster liegen teure Fotoapparate usw. Da ruft er, mehr aus Angst als aus Notwehr: „Halt, wer da?“ Das schattenhafte Etwas, mit sehr langen Haaren, erschrickt vor diesem „Aufschrei“ und huscht an seinem Bett vorbei, stürzt zur Türe. Henry hätte mit den Händen nur zu den Beinen greifen müssen, und man hätte den verhinderten „Dieb“ dingfest machen können. Oder war es etwa kein Dieb? Aber auf „Mannessuche war „Sie“ offensichtlich natürlich nicht. Auch darauf wird es niemals eine Antwort geben …
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Zum Inhalt
Ausgangssituation ist Schweden und in Erinnerung das Haus in Berlin Schöneberg, in dem die Ziebells 1945 noch wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.
Die Lehrzeit wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen, wo er seine spätere Frau kennenlernte.
Wie lebt ein junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr, für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als einfacher Arbeiter tätig zu sein.
Durch Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz. Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken. Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.
Die spätere Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989 seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen, sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die erwarteten Schlussfolgerungen zieht.
Nach der Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach Schweden.
Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen, so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin, machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“ nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien, politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender!
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Empfehlung Info-Welt:
Harry Popow: AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 18.02.2019, ISBN: 9783748512981, Seiten: 500, Preis: 26,99 Euro
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