Die anhaltende Trockenheit in Portugal und Spanien ist seid Langem bekannt. Doch kaum einer weiß wie verheerend es, vor allem im Süden Portugals ist. Der Rio Tejo, mit 1007 km der längste Fluss auf der Iberischen Halbinsel, hat in den letzten zwei Jahrzehnten etwa 25 Prozent seiner Wassermenge verloren. Die Stauseen des Südens sind weit unter dem Mittelwert und jeden Sommer ist Wasser sparen angesagt. Jetzt schlug die Umweltorganisation Pro-Tejo Alarm. Die Zuflüsse des Tejo sind nur noch Rinnsale. Die Spanier sollen daran Schuld haben.
Rui Filipe Gutschmidt – 16. Oktober 2019
In der Provinz „Beira Interior“, nördlich vom Tejo, ist die Trockenheit groß, doch das allein kann nicht der Grund dafür sein, dass der Pegel des Tejo-Zuflusses Rio Pônsul auf ein historisches Tief gesunken ist. Auch andere Zuflüsse von Portugals grössten Strom sind kaum noch mehr als ein Rinnsal. Weiter nördlich ist der Rio Côa so ausgetrocknet, dass er den Stausee „Sabugal“ nicht mehr erreicht. Spanien zapft seit langem die grossen Flüsse in Spanien an, um damit riesige Flächen zu bewässern. Damit dies nicht aus dem Ruder gerät und Portugal am Ende ohne Wasser dasteht, haben beide Länder ein Abkommen geschlossen.
„Es ist ein deprimierender Anblick. Tote Fische verbreiten einen ekelerregenden Gestank. Da, wo ich noch vor ein paar Jahren meine Reusen auslegte, meine Netze auswarf und Muscheln sammelte, ist jetzt kein Leben mehr. Ich bin ruiniert und überlebe nur dank meiner kleinen Rente von knapp 300 €…“, lamentiert ein Fischer des Rio Côa gegenüber einer Regionalzeitung. Die Restaurants, die für ihre Flusskrebse berühmt waren, müssen die Krustentiere jetzt teilweise aus Spanien kommen lassen. Doch die Preise kann sich kaum einer leisten. Die gesamte Region leidet unter der Trockenheit und die Flüsse sind nur ein Teil des Puzzles.
Nach Angaben des portugiesischen Wetterdienstes IPMA, befand sich das gesamte Land im September in einer Dürre, wobei fast die Hälfte (48,4%) eine mittlere und 15,4% eine gemäßigte Dürre verzeichneten. Ein Drittel war von schwerer (32,7%) oder extremer (3,4%) Dürre betroffen, letztere im Südosten des Landes, von Albufeira an der Algarve bis in die Nähe von Mértola im Alentejo. Die durchschnittliche Wassermenge war seit 1990/91 nicht mehr so niedrig. Neue Stauseen sollten das eigentlich vermeiden, aber dessen Speicherkapazität wurde inzwischen anuliert. Man kann ja auch nur speichern, was man hat. Wenn die Flüsse nicht genügend Wasser führen, dann kann man auch keines speichern.
Im Flussbett des Tejo liegt das Niveau mit 58,8%, etwas unter dem Durchschnittswert von 62,5%. Doch am fehlendem Regen alleine kann das nicht liegen.
Die Umweltschutzbewegung des Rio Tejo (in Spanien „Tajo“) PRO-TEJO, beschuldigte Spanien, das Stauseen-Abkommen in der hydrologischen Saison von Oktober 2018 bis September 2019 nicht eingehalten zu haben. „Spanien wird das Abkommen trotz der im August und September durchgeführten großen Wassereinleitungen, die einem Drittel der jährlichen Durchflussmenge entsprechen, um dies zu erreichen, nicht einhalten können“, sagte der Sprecher der Bewegung, Paulo Constantino.
Die Spanier und selbst die portugiesischen Behörden leugnen eine Nichteinhaltung des hydrologischen Abkommens zwischen den beiden Ländern. Dabei gibt die portugiesische Umweltbehörde APA durchaus Vertragsbrüche zu. „Es gibt Jahre, in denen es gelegentlich zu Ausfällen für einige Wochen kommt, weil es wöchentliche, vierteljährliche und jährliche Messungen gibt“, erklärte Constantino und stellte fest, dass es auch andere Ausfalljahre gab, nämlich 2004/2005, 2005/2006. 2008/2009 oder 2011/2012. „2004/2005 war ein Jahr der Dürre und die Schutzklausel wurde von Spanien in Anspruch genommen, laut dem sie nicht verpflichtet sind, sich daran zu halten“, sagte der Sprecher der PRO-TEJO.
Spanische und portugiesische Bürgermeister der Gebiete aus der Region des internationalen Tejo/Tajo-Gebiet, kritisierten vor kurzen die falsche Handhabung der Kontrolle der Wassermengen des Flusses mit der Begründung, dass dies „hohe Umwelt-, Tourismus- und Wirtschaftsschäden“ verursache. Neben dem Fischfang, Tourismus und Wassersportaktivitäten, Probleme für die Stromgewinnung durch Wasserkraft und eine Rationierung des Wassers für die Landwirtschaft, verschlimmern sich noch ganz andere Probleme, die ohnehin schon schlimm genug sind.
Zum einen habe wir die periodisch auftretenden illegalen Abwassereinleitungen, die meistens durch Papierindustriebetriebe gemacht werden und die bei niedrigem Wasserstand immer schlimmer werden. Immer wieder denunziert die PRO-TEJO die massive Umweltverschmutzung durch die Papierindustrie, die immer mit einem großem Fischsterben einhergeht, während die stinkende Brühe flussabwärts in Richtung Lissabon fließt.
Dazu kommt noch eine mögliche radioaktive Verseuchung. Da wäre zum Beispiel das Projekt einer Uranmine bei Salamanca. Spanier und Portugiesen kämpfen gemeinsam für den Entzug der Lizenz, die noch von der konservativen Regierung Spaniens unter Mariano Rajoy vergeben wurde. Das gilt auch für das Atommüllzwischenlager (Endlager?) beim AKW Almaraz, etwa 100 KM von der portugiesischen Grenze und ebenfalls am Tajo gelegen. Das Atomkraftwerk Almaraz ist selbst störanfällig und seine Laufzeit wurde gegen den Wunsch der ansässigen Bevölkerung ebenfalls unter Mariano Rajoy verlängert. Mit zunehmender Trockenheit und sinkendem Pegelstand bekommt der größte Strom Portugals mehr und mehr Probleme. Diese werden bis ans Meer gespült, aber nicht bevor sie an Lissabon vorbei fließen.
Der Tejo ist einer der schönsten Flüsse der Welt. Die Sicht auf den Fluss ist vor allem in Lissabon eine Touristenattraktion. Von dort aus segelten Portugals Entdecker in alle Welt und ihre Handelsflotte brachte waren aus Afrika, Indien, Brasilien, China und Japan. Die Fado Sängerinnen und Sänger haben unzählige Lieder über den Fluss verfasst, die Dichter und Schriftsteller schrieben mehr über den Tejo, als ein normaler Mensch in einer Lebensspanne lesen kann und Maler, Bildhauer und Architekten wurden von dem Gewässer inspiriert. „Rettet den Tejo“ ist ein Aufruf an die Politik und die Wirtschaft Spaniens und Portugals. Nicht nur die Iberer müssen Druck machen, sondern auch die vielen Touristen, die gerne nach Lissabon oder überhaupt auf der Iberischen Halbinsel ihren Urlaub verbringen. Die Regierungschefs Costa und Sanches müssen sich persönlich darum kümmern, dass genügend Wasser – ohne Gift und ohne verstraltem Kühlwasser aus Almaraz, den Tejo und seinen Nebenflüssen bis in den Atlantik herunter fließt.
Ein erschütterndes Video
TEJO INTERNACIONAL SEM ÁGUA MALPICA DO TEJO 02 OUTUBRO 2019
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