Coronabonds – „Entweder Europa macht was notwendig ist oder es wird untergehen“

Rui Filipe Gutschmidt – 29. März 2020

Rui Filipe Gutschmidt

Das Treffen der Eurogruppe war aus Sicht der Südeuropäer ein Disaster! Portugals Premierminister António Costa fühlte sich „angewidert“ von Wopke Hoekstras Aussage, die den Egoismus einiger EU-Politiker verdeutlicht. Der niederländische Finanzminister folgt der Linie seiner Vorgänger mit Provokationen gegen Südeuropa, steht aber in seinem Nationalegoismus nicht alleine da. Beim Geld hört die Freundschaft auf… selbst wenn Tausende sterben.

Der niederländische Finanzminister hat gefordert, dass Spanien untersucht wird, weil es nicht über die Haushaltskapazität verfügt, um mit der Pandemie fertig zu werden. „Dies ist eine absolute Gewissenlosigkeit“ und eine „wiederkehrende Kleinlichkeit“, kritisierte António Costa.

Dieser Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, der per Videokonferenz auf Distanz stattfand, war eine perfekte Metapher für die Distanz, die einige Staaten in fundamentalen Fragen wie den Coronabonds voneinander trennt. Das Thema der Coronabonds (schon in Zeiten der Finanzkrise als „Eurobonds“ oder erst kürzlich als „Refugee-Bonds“ thematisiert) wurde speziell von der Eurogruppe besprochen. Doch die mangelnde Kompromissbereitschaft der finanziell besser gestellten Staaten hat bislang eine gemeinsame Anleihe – eben die Euro- oder Coronabonds – verhindert.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte: „Der Eurogruppe wurde eine Aufgabe übertragen, und dies wurde in den Schlussfolgerungen sehr deutlich. Innerhalb von zwei Wochen muss die Eurogruppe einen Vorschlag vorlegen.“ Aber in dieser extremen Lage, in der EZB und EU-Kommission schon radikale Maßnahmen ergriffen haben, schafft es die Eurogruppe mal wieder – wie schon 2011 – nicht die notwendigen Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft zu ergreifen.

Wer einer der größten Befürworter von Coronabonds oder Eurobonds – also Anleihen, die von den Mitgliedstaaten gemeinsam aufgelegt werden – ist, dass ist der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli. Ihm zufolge wären Eurobonds eine Möglichkeit, die Schuldenlast zu teilen. Diese Möglichkeit, die von neun Ländern unterstützt wird, einschließlich derjenigen, die am stärksten vom Virus betroffen sind, hat vor allem in Deutschland einen schweren Stand. Aber je länger wir warten, dass die Deutschen Regierungsparteien sich vom Druck der AfD-Populisten frei machen, desto stärker wird die Wirtschaft der gesamten EU darunter leiden.

Während die COVID-19-Epidemie jeden Tag Hunderte von Opfern fordert, verschlechtert sich auch ökonomisch die Lage in der EU als Teil einer beispiellosen Wirtschaftskrise.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, sagt: „Wir brauchen eine Wiederherstellungsstrategie und müssen alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen. Der Europäische Haushalt ist eines dieser Instrumente, aber wir können auch die Verbesserung des Gemeinsamen Marktes gebrauchen.“

Doch eine Reihe von Ländern, an deren Spitze Deutschland steht, bleibt gegen die Coronabonds. Die Menschen in diesen Ländern, oder vielmehr die Politiker dort, haben nicht verstanden, dass sie ihren Wohlstand ohne die anderen EU-Staaten nicht erhalten können. Zu lange schon leben die EU-Bürger in unterschiedlichen Welten. Löhne, Einkommen und Preisniveau in Nord- und Südeuropa unterscheiden sich nach wie vor. Auch Osteuropa ist weit davon entfernt, den Lebensstandard von Nord- und Mitteleuropa zu erlangen.

Es ist eine Chance.

Wir können natürlich weiter jeder für sich seine eigenen Wirtschaftsbosse unterstützen und in einem neoliberalen System eine immer größere Dosis Nationalegoismus in diese Ellenbogengesellschaft integrieren oder… wir können endlich zu den Wurzeln der europäischen Idee zurückkehren, bei denen wir ALLE Länder auf EINEN hohen Lebensstandard anheben. Dies kann nur geschehen, wenn sich Europa solidarisch zusammenschließt. Eine Europäische Union, die bei einer Krise wie dieser nicht mit einer Stimme spricht und bei der es Mitgliedstaaten gibt, die wegen ein paar Prozentpunkten bei den Zinsen einer gemeinsamen Kreditaufnahme herum knausern, ist unsolidarisch und wird am Geiz und am kleinlichen Verhalten dieser Staaten zu Grunde gehen. Da gebe ich Premierminister Costa völlig Recht. Die Solidarität ist aber nicht nur der Ausweg aus dieser Krise, sonder generell überfällig und muss nach Ende der Pandemie beibehalten werden.

Seid solidarisch, bleibt zuhause.

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