Brasiliens Gesundheitsministerium wegen Covid-19: “Verschieben sie ihre Kinderwünsche”

Rui Filipe Gutschmidt – 21. April 2021

Rui Filipe Gutschmidt

In Brasilien verschlimmert sich die Lage weiter. Derzeit sterben etwa 3.000 Menschen täglich an den Folgen von Covid-19 und im ganzen Land fehlt es am Nötigsten. Doch statt dafür zu sorgen, dass die dringend benötigten Arzneimittel angeschafft werden, gibt Raphael Parente, Staatssekretär für primäre Gesundheitsversorgung des Gesundheitsministeriums, lieber Tipps in Sachen Familienplanung. Man möge doch eine Schwangerschaft auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, wenn die Pandemie vorüber ist.

In Brasilien spielt sich ein enormes Drama ab, dass bereits 371.678 Menschen das Leben gekostet hat. Seit Anfang März liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei über 200, was höher ist als je zuvor seit beginn der Pandemie. Laut Gesundheitsexperten grassieren mehrere Virus-Varianten, von denen einige besonders ansteckend sind. Eine dieser Varianten soll für besonders schwere Krankheitsverläufe bei Schwangeren verantwortlich sein. Jetzt hat das auch das brasilianische Gesundheitsministerium kapiert und so wendet sich Raphael Parente Staatssekretär für primäre Gesundheitsversorgung, mit der Bitte an Frauen: „Sie mögen doch, wenn möglich, bitte ihre Schwangerschaft vertagen.“

Diese Empfehlung gelte für jüngere Frauen, er könne er aber nicht sagen, ob das auch bei Frauen, die 42 oder 43 Jahre alt sind, zutreffe. Parente gab zu, dass diese Aussage nicht auf einem breiten wissenschaftlichen Fundament stünde. Experten hätten aber beobachtet, dass eine Covid-19-Erkrankung bei Schwangeren nicht nur wie bisher vermutet zum Ende der Schwangerschaft einen schwereren Verlauf annehme, sondern wohl auch zu einem früheren Zeitpunkt in der Schwangerschaft zu Komplikationen führt. Parente sagte weiter: „Das Ministerium arbeitet derzeit an Studien zur genaueren Ermittlung der von Corona ausgehenden Gefahr für Schwangere.

Wie hier in Manaus sind die Teams von »Ärzte ohne Grenzen« in Brasilien seit Beginn der Covid-19-Pandemie im Einsatz.
Bild: »Ärzte ohne Grenzen«

Die auffällig hohen Corona-Fallzahlen in Brasilien sind kein Zufall. Mehrere Mediziner und Gesundheitsexperten erklärten zuletzt in einem Artikel im Fachjournal „Science“, dass die Pandemie in Brasilien vor allem aus politischem Versagen außer Kontrolle geraten ist. „In Brasilien war die Reaktion der Regierung eine gefährliche Kombination aus Untätigkeit und Fehlverhalten, einschließlich der Bewerbung von Chloroquin als Behandlung trotz fehlender Evidenzen“, so die Experten in dem Artikel.

Im Land werden bereits Stimmen laut, die die Amtsenthebung von Präsident Jair Bolsonaro fordern, der gemeinsam mit seiner Regierung den Negationismus von Donald Trump folgte und für den die Profite der großen Konzernbosse wichtiger sind als Menschenleben. Brasiliens Gesundheitssystem ist hoffnungslos überfordert und bei über 3.000 Coronatoten täglich kommen Städte wie Rio de Janeiro oder die Hauptstadt des Amazonas, Manaus, nicht mit dem Bau neuer Grabstätten nach.

Die besonders aggressiven Virusvarianten könnten weiter zu „unvorstellbaren Verlusten von Leben“ führen, sollte die Regierung nicht sofort angemessene Maßnahmen ergreifen, warnen die Forscher in ihrem Artikel. Am wichtigsten ist ein höheres Tempo beim Impfen. Bislang haben nur 11,7 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten und sogar erst 3,8 Prozent gelten als vollständig geimpft. So wurde Brasilien durch die falsche Politik der Neofaschisten um Präsident Jaír Bolsonaro zum Epizentrum der Pandemie in Südamerika.

Jedes mal wenn wir uns Fragen, was die radikalen Maßnahmen unserer Regierungen und die Einschränkungen unserer „Freiheit“ bringen, müssen wir nur nach Brasilien schauen oder auch in die USA. Doch am schlimmsten ist die Gefahr, dass sich jetzt im brasilianischem Winter eine oder mehrere neue impfstoffresistente Mutationen bilden könnten. Auf der Südhalbkugel ist es jetzt Herbst und im dicht besiedelten Süden findet ein Coronavirus wie Covid-19 ideale Bedingungen. Doch auch im tropisch feuchten Norden fühlt das Virus sichtbar wohl und mutierte dort auch zu einem besonders ansteckenden Stamm. Die „Manaus-Variante“ hat unzählige Menschen getötet und die Gefahr, dass eine erneute Mutation resistent gegenüber Impfstoffen wird, ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich.

Wenn das Virus tatsächlich noch mal mutiert, dann hilft den Brasilianern kein beten und kein bangen… und dem Rest der Welt ebenso wenig.

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