Rui Filipe Gutschmidt – 10. Mai 2021
In der nordportugiesischen Stadt Porto fand dieses Wochenende ein EU-Gipfeltreffen zum Thema Sozialpolitik der EU statt. Doch solaernährenEU-Politik den großen Konzernen und Investmentbankern dient, wird sich mit den Wischi-Waschi Massnahmen die auf diesem Gipfel beschlossen werden kaum etwas im Leben der EU-Bürger ändern. Was Premierminister António Costa als historischen Kompromiss bezeichnet hat, nannte Catarina Martins, die Vorsitzende des Linken Blocks auf einer Gegenveranstaltung, das Beibehalten der Ungleichheit.
Nach der Weltwirtschaftskrise die zwischen 2007 und 2014 in aller Welt und ganz besonders in Europa Millionen in tiefe Armut stürzte, erleben wir mir den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Covid-19 Pandemie schon zum zweiten mal wie wenig sich die Strippenzieher des neoliberalen Raubkapitalismus sich um die Menschen kümmern. Das System, das uns als „gerechte Belohnung für den hart arbeitenden Bürger“ und „noch zu rücksichtsvoll für die zu faul zum arbeiten“ verkauft wird, versagt kläglich vor unser aller Augen.
Doch die Pandemie zeigte, dass die Macht der Konzerne nicht unbegrenzt ist und dass die Regierungen auch gegen die Interessen der Öl- und Energiekonzerne, der Transportunternehmen, der Tourismusbranche und vieler anderer Wirtschaftszweige Gesetze erlassen und durchsetzen können – wenn sie es denn wollen.
Catarina Martins begann auf der Gegenveranstaltung “Stop Prekarität, Stop Armut“ im Kino Passos Manuel, Porto, Portugal, mit einer direkten Kritik an Premierminister António Costa. „Man kann nicht in Europa versprechen, die Armut zu bekämpfen und den Bedürftigen in Portugal die Unterstützung verweigern.“ Denn Portugals Regierung lehnte weitere Unterstützung für die von der Pandemie besonders hart getroffenen Portugiesen ab, mit dem Argument, dass nicht genug Geld dafür bereit stehe. Klar, wenn man Pleitebanken (Novo Banco – Ex BES) weiter mit Milliarden des Steuerzahlers vollpumpt, die von der „Troikaregierung“ Passos Coelho (PSD)/Paulo Portas (CDS) an eine Heuschrecke verkauft wurde.
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Ein anderes Europa ist möglich
Das Treffen in einem Kinosaal in Porto beweist, dass es “ein anderes Europa gibt, neben dem, welches sich in der alten Zollstation, der „Alfândega“, am Rio Douro trifft”. Der Abgeordnete des Linken Blocks (BE) José Soeiro, der Vorsitzende der europäischen Linken, Heinz Bierbaum (Die Linke), Catarina Martins, Vorsitzende des BE, und Sérgio Aires, Kandidat des BE für das Bürgermeisteramt der Stadt Porto, kamen zur Abschlussveranstaltung des Gegengipfels zur sozialpolitischen Lage in Europa.
Catarina Martins betonte, dass die Optionen, die „als Aktion auf die Pandemie und die Krise ergriffen wurden, eine Ungleichheit vertiefen, die von weit her kommt“ und dass „dieses Europa, das Impfpatente lieber schützt als seine Bürger, dasselbe Europa ist, das immer die Straflosigkeit der Obenstehenden garantiert, die sich von der Armut der Untenstehenden ernähren
„Die EU ist nicht befugt, Rechte zu schützen, aber sie ist befugt, sie zu zerstören.“ Im Kampf gegen Armut und Ungleichheit „gibt es zu viele Anlässe, in denen es an Maßnahmen mangelt“, sagte die Frontfrau des BE weiter und bekräftigte noch, dass „diese Wirtschaft der Privilegien und Ungerechtigkeiten einen Namen habe: Sie heißt Kapitalismus und sie heißt Ungleichheit“.
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Reaktion auf „die Wirtschaft der Privilegien und Ungerechtigkeiten“
Catarina Martins stellte sicher, dass der Linke Block niemals der Ungleichheit ausgeliefert sein wird, und wies darauf hin, dass „die europäischen Regeln, die Probleme verursachen und niemals Teil der Lösung sein werden“. Und sie warnte vor der Situation in Portugal, wo bereits vor der Pandemie jeder Fünfte in Armut lebte, „…und es gibt einen besonders erschreckenden Befund: Diese Armut betrifft insbesondere Kinder und Familien mit Kindern“, fügte sie hinzu.
„Wenn selbst die Regierung die Unzulänglichkeit ihres Haushalts anerkennt, ist dies der richtige Zeitpunkt, um darauf zu reagieren. Die Sicherheit, die wir brauchen, ist die, die sich für den Schutz der Beschäftigung und die Gewährleistung der Unterstützung entscheidet “, sagte sie.
„In dieser Zeit der Bedrohung und Gefahr“ möchte der Linke Block Wege aufzeigen, wie „auf die Wirtschaft der Privilegien und Ungerechtigkeiten“ reagiert werden kann.
„Wir akzeptieren keine belanglosen Worte. Wir fordern Veränderung. Die soziale Säule ist Vollbeschäftigung; anständige Arbeit mit einem fairen Lohn. Die soziale Säule ist der öffentliche Dienst; universell und in der Lage, Ungleichheiten zu überwinden. Diese Antwort, die Antwort von Gerechtigkeit und Würde, die sich diesem nicht zurückgetretenen Gegengipfel angeschlossen hat, hat einen Namen: Sie heißt Gleichheit “, schloss sie.
„Sklavenarbeit muss aus Gewächshäusern in Alentejo und im ganzen Land ausgerottet werden“
Catarina Martins hat es nicht unterlassen, sich auf die Situation in Odemira zu beziehen.
„In der letzten Woche hat das Land in Odemira die Realität gesehen, die der BE und die Migrantenverbände seit langem denunziert haben. Zum Glück erkennt heute jeder an, dass es in diesen Gewächshäusern „eine schwere Verletzung der Menschenrechte“ gibt, sogar die Regierung, die 2019, und wir vergessen oder vergeben nicht, beschlossen hat, diese Wanderarbeiter in Container-Ghettos zu halten.“
Aber wenn es eine Anerkennung des Problems gibt, dann ist es notwendig, auf seine Lösung hinzuarbeiten, verteidigte Catarina.
„Gelegentliche Worte und halbe Sachen reichen nicht aus. Sklavenarbeit muss in Gewächshäusern im Alentejo und im ganzen Land ausgerottet werden, und jeder, unabhängig von Hautfarbe oder Reisepass in der Tasche, hat das Recht auf ein würdiges Leben in diesem Land “, sagte sie noch zu guter Letzt.
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Fazit:
Für Catarina ist „Gleichheit kein leerer Slogan – darf es einfach nicht sein“. In der kommenden Erholungsphase „die Reduzierung öffentlicher Dienstleistungen wie des SNS (Nationales Gesundheitssystem) oder eine stärkere Regulierung des Arbeitsmarktes zu fordern, ist keine Wiederherstellung, sondern eine Krise“. Ebenso „die Reduzierung von 15 Millionen Armen anzukündigen und gleichzeitig mehr als 70 Millionen Menschen in Armut zu belassen, ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, eine Resignation“.
Der Gegengipfel gibt „ein Zeichen der Nichtkonformität und Ablehnung dieses Europas, das kein soziales ist.“ Catarina Martins bringt es auf den Punkt. Die EU ist ein unsozialer, zutiefst in egoistische Wirtschaftsinteressen verstrickter Haufen, der sich nach aussen hin heterogen und volksnah gibt, aber dessen Mitgliedsstaaten grosse Unterschiede im Lebensstandart, Lohn- und Preisniveau, soziale und kulturelle Aspekte aufweist, die ein Spiegel der ungerechten Verteilung der Ressourcen innerhalb der Gesellschaft sind.
Der Graben zwischen Arm und Reich, den die Gründer der EU einst verkleinern wollten, was in der Zeit des Kalten Krieges unter dem Eindruck eines Wettstreits der Systeme auch verfolgt wurde, vertieft sich immer weiter. Mit jeder Krise sehen wir in Europa, wie auch im Rest der Welt, wie die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Dabei wurde all das Gelaber von „die sind nur zu faul zum arbeiten“ oder „jeder ist seines Glückes Schmied“ längst als kapitalistische Propagandalüge enttarnt. Man muss sich nur mal die Statistiken der „working poor“, also der „arm trotz Arbeit“ betrachten um zu sehen wie sehr die Konzernbosse mit Hilfe der EU-Regeln und der jeweiligen nationalen Gesetzgebung den Lohnabhängigen Arbeiter über Mechanismen wie die Zeitarbeitsfirmen, Jobcenter und Arbeitsbeschaffungsmassnahmen ausbeuten.
Gerade erst wurde Portugal durch einen Covid-19 Ausbruch bei asiatischen Agrararbeitern im Alemtejo auf die unmenschlichen Lebensbedingungen dieser Migranten aufmerksam. Die Rechtsextreme Partei Chega beschuldigt die Opfer, statt die Täter und verschweigt dabei die Schuld der Arbeitgeber, die in großen Gewächshäusern Beeren aller Art für den Mittel- und Nordeuropäischen Markt produzieren. Doch dazu schreibe ich im nächsten Beitrag.
Der Sozialgipfel ist alles mögliche, nur „historisch“ ist er gewiss nicht. Das Ziel, 15 Millionen Menschen, darunter 5 Millionen Kinder, aus der Armut zu holen, lässt immer noch über 70 Millionen Europäer unterhalb der sogenannten Armutsgrenze. Auch die 78 Prozent Beschäftigte zu erreichen ist ein Witz. Heute schon ist eine Arbeit zu haben kein Garant dafür, nicht in Armut sein Leben zu fristen. Doch selbst diese – alles andere als historische – Kompromisse, sind das Papier nicht wert auf dem sie geschrieben stehen.
Denn alles was hier so mühsam ausgearbeitet wurde, um den mächtigen Konzernbossen nicht auf die Füsse zu treten und dennoch den Anschein zu erwecken, dass sie die Armut in Europa bekämpfen wollen, muss jetzt noch in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten genehmigt werden. Doch hier schreien die Neoliberalen und die Konservativen schon lauthals „wie soll das finanziert werden?“ Warum dieses Geschrei nie kommt, wenn Pleitebanken Milliarden vom Staat oder der EZB erhalten und ihre Manager sich von diesem Geld auch noch fette Prämien in Millionenhöhe zugestehen, bleibt mir ein Rätsel.
Sozial geht anders. Sozial, das ist Sozialismus. Alles andere sind Almosen an Leute die in einer solidarischen Gesellschaft ein Recht auf ihren Anteil der vorhandenen Ressourcen haben und denen dieses Recht nicht wie derzeit verweigert wird.
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