TikTok-Wahn in Portugal – Webanbieter zahlt hunderte Euro an User

TikTok-Marketingkampagne in Portugal - Screenshot TikTok

Rui Filipe Gutschmidt – 30. August 2021

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Rui Filipe Gutschmidt

Die Social-Media Plattform TikTok bezahlt seinen Kunden in Portugal, wie auch in Brasilien und anderen Ländern, hunderte Euro in einer Marketingkampagne die sowohl überraschend, als auch besorgniserregend ist. Positive und negative Aspekte vereinen sich hier, so dass Antikapitalisten und Neoliberale die angewandte Marketingstrategie nur schwer einordnen können. Bei genauerem hinsehen ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen ein klarer Suchtfaktor zu erkennen.

TikTok. Inzwischen kennt jeder Portugiese die Multimediaplattform und fast jeder wurde schon „eingeladen“, um bei der Werbung von Neukunden mitzumachen. Dabei winkt das chinesische Unternehmen mit Euroscheinchen… vielen Euroscheinchen! Klar, dass die Reaktion der meisten Leute im ersten Moment zutiefst misstrauisch ausfällt. Doch nach diversen Zeitungsartikeln und nach den üblichen Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis, wurde den Leuten klar, dass die Marketingstrategen von TikTok tatsächlich mit Geld um sich werfen. Eigentlich sind großangelegte Marketingkampagnen, bei der Millionenbeträge schnelles Wachstum generieren, nichts Neues.

Der Unterschied besteht darin, dass Nutzer statt mit Rabatten mit echtem Geld bezahlt werden, wenn es ihnen gelingt, ihre Freunde auf die Plattform einzuladen und, wenn möglich, für einige Zeit an TikTok zu binden. Denn letztlich gibt es mehr Geld, wenn die eingeladene Person in den nächsten (3, 5 oder 10) Tagen immer wieder für mehr als 5 Minuten auf TikTok aktiv ist. Videos anschauen, kommentieren, liken (hier ist es immer ein Herzchen) und teilen zeigt der Plattform, dass man kein Bot ist. Aus diesem Grund wurde bei manchen, dessen Freunde den Code eingegeben haben ohne vorher ein paar Videos zu liken, zu kommentieren und zu teilen, der Code mit der Begründung abgelehnt „hat die Betrugsprüfung nicht bestanden“. Das ist mir auch passiert und so beschränkt sich mein Verdienst auf ein paar Euro. Wie immer, bei solchen Sachen, verdienen Leute die dringend Geld brauchen, nichts oder fast nichts.

Das Teilen der Seite und das posten von Videos bringt zusätzlich nochmal 60 Cent am Tag. Doch nur das erfolgreiche anwerben von neuen Usern bringt tatsächlich „das große Geld“. Denn für einen Portugiesen sind 410 € viel Geld und manche Jugendliche, die ihre ganze Familie eingespannt haben, konnten in weniger als einen Monat über 1.200 € verdienen, was praktisch 2 Mindestlöhne sind. So verdienten manche Kinder mehr, als ihre Eltern gemeinsam. Das so etwas fragwürdig ist und Realitäten bloßstellt, ist den Machern der Marketingkampagne entweder entgangen, oder es ist ihnen egal.

Letztendlich handelt es sich um eine Strategie, die Parallelen in der Welt des Drogenhandels zu haben scheint. Denn auch ein TikTok-User läuft Gefahr süchtig zu werden. Statt Drogen konsumiert der Nutzer (User ist auch ein Fachbegriff für Drogenabhängige) Videos. Das Ziel ist die Platzierung von Werbung, die einem möglichst breitem Publikum unterbreitet werden soll. Je mehr Leute sich täglich einloggen, desto mehr sehen die Werbung. TikTok verdient sein Geld mit dieser Werbung und ist daher bereit ein paar Euro davon weiterzureichen.

So bringt die Kampagne also Geld unter die Leute, die gerade jetzt dieses Geld dringend brauchen. Man könnte fast meinen, dass TikTok eine soziale Funktion übernimmt, zu der die portugiesische Regierung nicht fähig ist. Neben den Millionen, die für diese Kampagne in die Taschen der Nutzer der Applikation fließen, statt in die Taschen irgendwelcher Promis und TV-Sender, wird TikTok auch noch 250 Millionen für die Tiktoker bereitstellen, die mit ihren Videos eine Fangemeinde an sich, und damit auch an die Plattform, binden. Videos und Liveübertragungen werden ähnlich wie bei YouTube je nach Zugriffen bezahlt, wobei die Chinesen weitaus mehr bezahlen wollen als YouTube.

Wer online arbeitet, der weiß, dass es sich finanziell nur noch für die großen Plattformen rechnet. Die Kreativen bekommen Centbeträge und können sich ohne Spenden ihres Publikums nicht über Wasser halten. Ob TikTok in absehbarer Zeit genauso schlecht bezahlt oder ob die Konkurrenz ihrerseits mehr für diejenigen ausspuckt, ohne dessen Beiträge es keine Werbeeinnahmen geben kann, ist fragwürdig.


Letztlich will Chinas Video-Plattform auch nur Gewinne generieren und es ihnen dabei egal ob Kinder und Jugendliche süchtig werden und bei anschauen fragwürdiger Inhalte langsam abstumpfen und verdummen. Wie bei allen sozialen Netzwerken verstecken sich auch bei TikTok Pädophile und Scamer und aus erzieherischer Sicht vermittelt die Kampagne die Idee, dass Geld keinen echten Gegenwert hat. Viele Videos andererseits haben einen pädagogischen Hintergrund, bezüglich Tierschutz, Umweltschutz oder einfach nur den Respekt für einander, das Leben… Es ist eben ein Werkzeug und wie bei allen Werkzeugen, kann man damit Gutes tun oder Schaden anrichten.

Was halten SIE davon? Nach dem Für und Wieder, würden SIE Teilnehmen?

 

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