Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Redaktion RoterMorgen – 10. November 2021

Die Kollegen der Plattform »Arbeitsunrecht in Deutschland« haben einmal wieder eine interessante Presseschau zusammen gestellt. Diesmal geht es vorrangig um die Behinderung von Betriebsratswahlen und Union Busting in Deutschland. Union Busting ist ein eingedeutschter Fachbegriff aus den USA und steht für die systematische Bekämpfung, Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen, also Gewerkschaften, Betriebsräten und Personalräten.

Obwohl die betriebliche Mitbestimmung gesetzlich geschützt ist, gehen immer mehr Unternehmen gegen Interessenvertretungen vor, zum Teil mit drastischen Mitteln und professioneller Unterstützung. Das Phänomen heißt Union Busting und kommt aus den USA.
Sie bespitzeln Betriebsräte, schüchtern Kandidaten ein und versuchen mit allen Mitteln, Wahlen zu verhindern. Und so ein Vorgehen gibt es sogar als „Dienstleistung“! Im letzten Jahrzehnt haben sich in Deutschland Netzwerke herausgebildet, in denen verschiedene Akteure Dienstleistungen rund um Union Busting entwickeln und anbieten. Die gezielte Bekämpfung von Betriebsräten wird aufgrund der rechtlichen Bestimmungen in der Regel nicht offensiv beworben, aber zwischen den Zeilen formuliert („Prinzip der betrieblichen Effektivität“). Zu diesen Netzwerken gehören Unternehmensberater, Anwaltskanzleien, Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsdetekteien, aber auch Universitäten, an denen Juristen und Betriebswirtschaftler ausgebildet werden.
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Presseschau von »Arbeitsunrecht in Deutschland«

Inhalt

  • Avedo / Gelsenkirchen: Geschäftsführung will Betriebsratswahl verhindern
  • Eurowings Discover / Frankfurt: Betriebsratsgründung bei neuer Airline
  • DSW / Düsseldorf: Massive Arbeitsbelastung und Union Busting
  • Destatis / Wiesbaden: Beschäftigte gegen „menschenverachtendes System“

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Avedo versucht Betriebsratswahl in Gelsenkirchen
mit allen Mitteln zu verhindern

Avedo Gelsenkirchen, Leithestraße. Bild: Karl Wiener

Andreas K. und Annika K. sind zwei der sechs Kollegen/-innen welche die Avedo Gelsenkirchen GmbH fristlos kündigte, um eine Betriebsratswahl in dem Callcenter zu verhindern. Da sich die Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen unter der Leitung von Geschäftsführer Roman Zynga stetig verschlechterten, schlossen sich mehrere Kollegen/innen zusammen und wendeten sich an die Gewerkschaft Verdi, um gemeinsam einen Betriebsrat bei Avedo in Gelsenkirchen zu gründen.
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Kündigung von Betriebsratsinitiatoren/-innen

Laut Verdi gingen die Initiatoren/-innen wohl von Anfang an von Repressionen durch die Geschäftsführung aus, weshalb die Gewerkschaft als Einladerin zur Wahlversammlung eines Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl fungierte. Nachdem Verdi die Geschäftsführung über die geplante Wahlversammlung am 30.09.2021 informiert hatte, hängten Kollegen/-innen die Einladung zur Wahlversammlung im Betrieb auf. Damit begannen dann auch die Union Busting Maßnahmen des Betriebs gegen die Kollegen/-innen.

Zunächst ließ die Geschäftsführung scheinbar alle Aushänge unmittelbar nach dem Aufhängen wieder abreißen. Gleichzeitig ignorierte sie die Ankündigung der Gewerkschaft bzgl. der Wahlversammlung. Am 28.09.2021 zitierte die Geschäftsführung dann drei Beschäftigte zu Einzelgesprächen in ihr Büro. Diese verdächtigte die Geschäftsführung die treibenden Kräfte hinter der Betriebsratsgründung zu sein. Den ersten zwei Kollegen bot man an eine höhere Abfindung zu zahlen, sollten sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben und das Unternehmen „freiwillig“ verlassen. Einer dritten, im siebten Monat schwangeren, Kollegin bot die Geschäftsführung an sie frühzeitig in Mutterschaft zu schicken. Alle drei lehnten die Angebote des Unternehmens ab.

Im Anschluss kündigte die Geschäftsführung den zwei Kollegen fristlos und sprach gegen die schwangere Kollegin ein Beschäftigungsverbot aus. Kurz darauf erhielt auch sie eine fristlose Kündigung. Bei allen Kündigungen ist „aus wichtigem Grund“ als Kündigungsgrund angegeben. Mittlerweile hat die Geschäftsführung drei weiteren Mitarbeiter*innen gekündigt. Die Gewerkschaft Verdi hat angekündigt gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeiter*innen gegen die Kündigungen zu klagen. Die Verhandlungstermine für die Kündigungen sollen am 25.11.2021 stattfinden.

Geschäftsführung sprengt Wahlversammlung

Am 30.09.2021 sollte dann die von der Gewerkschaft geplante Wahlversammlung im Gelsenkirchener Wissenschaftspark stattfinden. Diese verhinderte die Geschäftsführung jedoch gezielt. So weigerte sich der dort aufgetauchte Geschäftsführer den Raum der Versammlung zu verlassen. Bereits zuvor hatte die Geschäftsführung im Callcenter versucht ein Klima der Angst zu erzeugen, nach dem Motto „Wer an der Versammlung teilnimmt, wird entlassen!“.

Zudem weigerten sich einige Mitarbeiter, die augenscheinlich auf Seite der Geschäftsführung standen, sich an die im Wissenschaftspark geltenden Corona-Regeln zu halten. Daher musste Verdi die Wahlversammlung abbrechen. Die Gewerkschaft will nun den Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht einsetzen lassen. Hier wird ein erster Gütetermin voraussichtlich am 02.11.2021 stattfinden.

Breites Repertoire an Union Busting Maßnahmen

Die Geschäftsführung von Avedo in Gelsenkirchen versucht mit allen Mitteln die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern, die Initiatoren/-innen zu isolieren bzw. rauszuwerfen und die restlichen Kollegen/-innen einzuschüchtern. So deutete die Geschäftsführung an, dass ein Betriebsrat entscheidende Nachteile für den Standort mit sich bringe.

Neben der Geschäftsführung ist auch der Syndikusanwalt Steffen Schroth mit von der Partie bei den Union Busting Maßnahmen gegen die Beschäftigten.

Nach den fristlosen Kündigungen will Verdi nun gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeiter/innen Strafanzeige wegen Behinderung von Betriebsratswahlen gem. § 119 BetrVG stellen.

Die Avedo Gelsenkirchen GmbH ist eine Marke der Ströer Dialog Group GmbH, die ihrerseits zur Ströer SE & Co. KGaA gehört. Bei der Avedo Gelsenkirchen GmbH arbeiten rund 350 Angestellte. Die einzelnen Standorte der Avedo Callcenter werden jeweils als eigene GmbHs geführt.

Seit dem 01.10.2021 scheint es zudem einen neuen Geschäftsführer bei der Avedo Gelsenkirchen GmbH zu geben. Kai Hölterhoff gibt auf seinem Xing-Profil an, nun Geschäftsführer in Gelsenkirchen zu sein. Ob dies mit dem aggressiven Union Busting vor Ort zu tun hat und welchen Einfluss Hölterhoff darauf nehmen wird, bleibt abzuwarten.

Quellen:

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Eurowings Discover bald mit Betriebsrat?

Bekommt die neue Billigairline der Lufthansa Group, die seit dem Sommer 2021 unter dem Namen Eurowings Discover fliegt, bald einen Betriebsrat? Das ist zumindest das erklärte Ziel der Gewerkschaften Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) und Vereinigung Cockpit (VC). Dies kündigten die beiden Gewerkschaften in einer gemeinsamen Presseerklärung am 08.10.2021 an.

Als ersten Schritt auf dem Weg zum Betriebsrat soll es eine gemeinsame Betriebsversammlung der Kollegen/innen aus Kabine und Cockpit geben, zu welcher die beiden Gewerkschaften gemeinsam einladen wollen. Langfristiges Ziel der Gewerkschaften ist die Durchsetzung eines Tarifvertrags welcher Arbeitsbedingungen und Vergütung verpflichtend regelt.

Bei Eurowings Discover sind die Lohn- und Arbeitsbedingungen deutlich schlechter als bei der Muttergesellschaft Lufthansa. Ähnlich war dies bereits zuvor bei den Lufthansa Tochtergesellschaften Sun Express Deutschland, Germanwings und dem deutschen Standort Brussels Airlines aus denen Eurowings Discover hervorgegangen ist.

Billigairline als Angriff auf Sozial- und Arbeitsstandards

Auch die European Transport Workers’ Federation greift in einem Brief an den Lufthansa Chef Carsten Spohr die Arbeitsbedingungen bei Eurowings Discover stark an und will sich für einen Tarifvertrag dort einsetzen.

Laut der Gewerkschaftsföderation habe das Management des Lufthansa-Konzerns bei Eurowings Discover gezielt die Sozial- und Arbeitsstandards herabgesetzt und arbeite weiter an der Orientierung nach unten. Die Gewerkschaftsföderation fordert für alle Tochtergesellschaften der Lufthansa Group einen Tarifvertrag und spricht von einem „gruppeninternen Kannibalismus“.

Betriebsräte im Luftverkehr noch immer ein Novum

Bis zum 01.05.2019 sah der §117 BetrVG eine Ausnahme für die Gründung von Betriebsräten für den Luftverkehr vor. Zuvor galt die Möglichkeit einen Betriebsrat zu gründen für das fliegende Personal von Fluggesellschaften nur dann, wenn die Airlines sich auf einen entsprechenden Tarifvertrag einließen. Seit dem 01.05.2019 gilt die neue Regelung, die nun auch ohne einen Tarifvertrag das Recht auf einen Betriebsrat auch für Beschäftigte im Flugbetrieb garantieren soll.

Die Gründung eines Betriebsrats bei Eurowings Discover dürfte daher nach wie vor ein Novum in der Branche sein. Bereits 2019 berichteten wir über die Versuche bei Sun Express Deutschland (Frontberichte 07/2019) und Eurowings (Frontberichte 10/2019) Betriebsräte zu gründen.

Die EW Discover GmbH unter der Leitung von Wolfgang Raebiger und Helmut Wölfel ging im Sommer 2021 innerhalb des Lufthansa-Konzerns als neu gegründete Airline Eurowings Discover aus den zuvor geschlossenen Flugbetrieben Sun Express Deutschland, Germanwings und dem deutschen Standort der Brussels Airlines hervor. Große Teile der mehr als 700 Mitarbeiter*innen kommen aus den bisherigen Belegschaften der geschlossenen Tochterunternehmen.

Quellen:

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Massive Arbeitsbelastung und Union Busting bei DSW

Ab Juni 2020 übernahm die Deutscher Schutz- und Wachdienst GmbH & Co. KG (DSW) im Auftrag des Innenministeriums die Luftsicherheitskontrollen am Flughafen Düsseldorf. Mit dem Betriebsübergang von Kötter zu DSW gingen dort auch die Probleme für die Beschäftigten weiter. Bereits im Mai 2021 (Frontberichte 09/2021) berichteten wir über die grauenhaften Arbeitsbedingungen und das Union Busting bei der DSW. Seitdem hat sich die Situation vor Ort nicht verbessert.

So berichtet die Gewerkschaft Verdi, dass die Beschäftigten bis heute nicht vollständig mit adäquater Dienstkleidung ausgestattet sind. Wegen massivem Personalmangel muss DSW immer wieder auf Fremdpersonal und Sonderprämien zurückgreifen.

Überlastung durch zuwenig Personal

Seitdem die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie wieder einen geregelten Flugverkehr zulassen, steigen auch die Passagierzahlen drastisch an. Dies hat bei der DSW allerdings nicht dazu geführt ihre Personalplanung anzupassen. So musste Verdi und der örtliche Betriebsrat im Juni 2021 die DSW mehrfach auffordern die angeordnete Kurzarbeit zumindest für die Ferienzeiten aufzuheben.

Dies sei insbesondere notwendig, um den Mitarbeiter*innen die dauerhaft mit Maske arbeiten müssen ausreichend Entlastungspausen zu ermöglichen. Verdi fordert nach maximal drei Stunden Kontrolltätigkeitszeit, eine Atemschutzunterbrechung von 30 Minuten. Bisher ist DSW nach drängen der Gewerkschaft lediglich dazu bereit eine 15 minütige Pause einzugestehen.

Gleichzeitig fehlen allein bei der DSW am Flughafen Düsseldorf mehrere hundert Beschäftigte im Sicherheitsbereich. Laut Verdi teilt der DSW so zum Beispiel für eine Frühschicht in der 300 Mitarbeiter/innen gebraucht werden lediglich 180 ein. Frühestens für Anfang des kommendes Jahr hat der DSW die Einstellung von 500 neuen Kolleg*innen versprochen, um diesen Umstand zu ändern.

Suspendierung wegen Überlastungsanzeige

Aufgrund der massiven Überlastung des Personals liegt der Krankenstand bei dem DSW am Flughafen in Düsseldorf bei über 20%, Tendenz weiter steigend. Aus diesem Grund übergaben einige Mitarbeiter/innen nach einer „aktiven Mittagspause“ mit Kundgebung im Flughafen Terminal am 29.09.2021 der DSW eine Überlastungs- bzw. Gefährdungsanzeige.

Daraufhin wies die Bundespolizei als Auftraggeberin des DSW wohl an, die Sicherheitskräfte wegen der Überlastungsanzeige von ihren hoheitlichen Luftsicherheitsaufgaben abzuziehen. DSW nahm dann diese Kollegen/innen von der Kontrollstrecke und suspendierte sie. In einem Aushang dazu, kündigte der Geschäftsführer Peter Lange an, dass diese Beschäftigten eventuell nicht mehr dem Anforderungsprofil für die Luftsicherheitsaufgabe entsprechen würden.

Nachdem die Gewerkschaft Verdi beim Innenministerium und der Bundespolizei gegen diese Maßnahme protestierte, konnten die Beschäftigten nach wenigen Stunden jedoch wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Trotzdem dürfte die Maßnahme wohl ihre Funktion zur Einschüchterung der Belegschaft erfüllen.

Krankheitsbedingte Kündigungen und „Bleib-Gesund-Prämie!“

Mittlerweile hat der DSW mehr als 100 Kolleg*innen krankheitsbedingt gekündigt. Dabei stammen die meisten Krankheitstage, die als Grund für die Kündigungen herhalten müssen, noch aus der Zeit vor dem Betriebsübergang im Jahr 2020. Die Kündigungen verschärfen den Personalmangel nochmals massiv.

Gleichzeitig versucht die Geschäftsführung die Belegschaft in den Herbstferien mit hohen Prämien zu Mehrarbeit zu motivieren. Zusätzlich zu diesen „Bleib-Gesund-Prämien“, die es auch schon beim Vorgängerunternehmen Kötter Aviation Security gab, sollen außerdem in Düsseldorf Kontrolleur*innen aus Bremen aushelfen.

DSW ignoriert Arbeitsgerichtsurteile

In der Zwischenzeit konnten sich einige Kollegen/-innen vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erfolgreich gegen die Kündigungen des DSW zur Wehr setzen. Trotzdem werden diese Beschäftigten (mit einem positiven Gerichtsurteil) nicht wieder in der Fluggastkontrolle eingesetzt. Die Betroffenen müssen sich wohl auch dieses Recht erneut einklagen.

Die Gewerkschaft Verdi berichtet weiter, dass nach dem missbräuchlichen Umgang mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall während der Kurzarbeit, der DSW nun auch versucht den Urlaubsanspruch der Beschäftigten zu reduzieren. Verdi wird auch dagegen gemeinsam mit dem Betriebsrat vorgehen.

Da der DSW auch die Durchführung von Online-Betriebsversammlungen verhindert hatte, zog der Betriebsrat auch hier vors Arbeitsgericht und welches zu Gunsten des Betriebsrates entscheiden musste.

Die DSW lässt sich vor Gericht durch den Industriellen Arbeitgeberverband Osnabrück rechtlich vertreten. Der Betriebsrat bekommt juristische Unterstützung durch die Kanzlei Schwegler.

Die DSW Deutscher Schutz- und Wachdienst GmbH & Co. KG ein Tochterunternehmen von Piepenbrock Service GmbH + Co. KG die bundesweit in den Bereichen Instandhaltung, Gebäudereinigung, Facility Management und Sicherheit tätig ist. Dazu beschäftigt sie mehr als 27.000 Mitarbeiter an 70 Niederlassungen in ganz Deutschland. Am Flughafen Düsseldorf beschäftigt die DSW rund 1.100 Angestellte. Das von den Geschäftsführern Arnulf und Olaf Piepenbrock geleitete Unternehmen ist in der Vergangenheit ebenso mit Union Busting aufgefallen (Frontberichte 06/2021) wie jetzt DSW. Geschäftsführer für den Bereich Sicherheit sind bei Piepenbrock Nicole Oppermann und Peter Lange (Ehemaliger Geschäftsführender Direktor der Kötter Aviation Security).

Quellen:

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Beschäftigte gegen „menschenverachtendes
System“ bei Destatis

Seit Monaten gibt es massive Vorwürfe gegen den Leiter des Statistischen Bundesamtes (Destatis) Georg Thiel. Mitarbeiter/innen der Behörde berichten von Mobbing und menschenverachtendem Druck. Es soll ein „Klima der Angst“ in der Behörde herrschen.

Wie die Zeitung Zeit berichtet, gibt es bereits wenige Monate nach Thiels Amtsantritt im Jahr 2017 massiven Unmut über seine Arbeit. In einer Mitarbeiterumfrage gaben 2018 nur 17 Prozent der Beschäftigten und sieben Prozent der Führungskräfte an, sie hätten „Vertrauen in die Entscheidungen der derzeitigen Amtsleitung“. Die Vorgesetztenrückmeldung, in der Mitarbeiter/innen das Führungsverhalten ihrer direkten Vorgesetzten beurteilen, habe die Amtsleitung vorsichtshalber komplett ausgesetzt.

Zahlreiche Vorwürfe gegen die Amtsleitung

Verschiedene Zeitungen berichten aus dem Kreis der Mitarbeiter/innen und der Personalvertretung von massivem Druck den der Leiter der Behörde auf Mitarbeiter/innen aller Ebenen ausüben soll. Konkret gehe es um Mobbing, unermesslichen Arbeitsdruck, massive Überstunden und persönliches Niedermachen. Mitarbeiter berichten zudem von Zwangsversetzungen als Druckmittel, Anschreien und Lächerlichmachen von Mitarbeiter*innen und von Doppelaufträgen an mehrere Kollegen/innen.

Thiel soll auch immer wieder Mitarbeiter/innen am Wochenende, spät Abends oder Morgens persönlich anrufen und mit Arbeitsaufträgen überschütten. Er soll einen solchen Druck auf die Mitarbeiter ausüben, dass viele darunter zusammenbrechen und während oder nach Besprechungen in Tränen ausbrechen. Mehrere Mitarbeiter/innen haben sich wegen Burn-out krankschreiben lassen.

Dazu kommen Vorwürfe der Steuerverschwendung und Vetternwirtschaft. An entscheidenden Positionen im Bundesamts soll Thiel Vertraute installiert haben, die er aus Ämtern mitbrachte, die er zuvor geleitet hatte. Langjährige Führungskräfte soll er kaltgestellt haben. Viele der genannten Missstände sind altbekannte Union Busting Methoden.

Beschäftigte wehren sich

Da immer mehr Mitarbeiter/innen diese Bedingungen im Bundesamt nicht weiter ertragen wollen, haben sich zahlreiche von ihnen anonym an die Presse gewandt. Viele von ihnen sind verbeamtet und fürchten um ihren Job sollte ihr Name in der Zeitung auftauchen. Und tatsächlich scheint das Bundesamt intern nach den „Whistleblowern“ zu suchen.

Gesamtpersonalrat, Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung und Gesamtschwerbehindertenvertretung haben sich ebenfalls bereits im Juni 2021 an die Amtsleitung gewannt und von dieser Konsequenzen gefordert. Hier sei man jedoch abgeblitzt. Die Leitung wolle das sich Mitarbeiter/innen namentlich mit einzelnen Vorwürfen bei ihr melden.

Daraufhin hatten sich mehrere Mitarbeiter/innen an den Innenausschuss des Bundestages als zuständiges Kontrollorgan des Bundesinnenministeriums gewannt. Doch auch hier gab es nur Beschwichtigungen, ebenso wie bei den Antworten des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP zu den Vorwürfen. Das Innenministerium stellt sich klar hinter Thiel.

Mitte September starteten dann Mitarbeiter/innen eine Postkartenaktion, mit denen sie ihre Forderungen direkt an Bundesinnenminister Horst Seehofer richteten und diesen aufforderten den Leiter der Behörde zu entlassen. Personalvertretung, Behördenleitung und Innenministerium äußerten sich verärgert über diese Aktion, man wolle die Probleme doch lieber intern klären.

Ähnliche Vorwürfe auch in der Vergangenheit

Bereits bei seinen vorherigen Stellen gab es von Mitarbeiter/innen ähnliche Vorwürfe. Von 2002 bis 2006 war Thiel Präsident des Technischen Hilfswerks (THW). Nachdem ein Mitarbeiter Suizid begang und Thiel als Auslöser dafür nannte, da er ein „menschenverachtendes Arbeitsklima gezielt gefördert“ habe, versetzte der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ihn ins Innenministerium.

Kurzzeitig war Thiel auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig, doch auch dort führte seine Anwesenheit zu massiven Beschwerden. 2015 ernannte die Bundesregierung ihn zum stellvertretenden Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Hier berichten Mitarbeiter*innen ähnliches), bevor er dann 2017 das Amt des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes und zugleich des Bundeswahlleiters übernahm.

Thiel hat laut einem Medienbericht derweil beantragt, das Amt über das Pensionsalter hinaus leiten zu dürfen. Eigentlich müsste er 2022 abtreten. Den Mitarbeiter*innen kann man nur wünschen, dass das Bundesinnenministerium den Antrag ablehnt.

Offiziell sehen weder das Bundesamt für Statistik, das Bundesinnenministerium, noch die Bundesregierung Verfehlungen Thiels und weisen die Berichte darüber als ehrverletzend und haltlos ab.

Das Statistische Bundesamt ist als Bundesoberbehörde dem Bundesministerium des Innern unterstellt. In der Behörde arbeiten mehr als 2.400 Mitarbeiter/innen an seinen Standorten in Wiesbaden, Bonn und Berlin.

Quellen:

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Erstveröffentlichung der zitierten Presseschau am 20. Oktober 2021 auf »Arbeitsunrecht in Deutschland«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers. Bilder und Bilduntertexte wurden zum Teil von der Redaktion »RoterMorgen« hinzugefügt.
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