Gökhan Güneş aus dem Folterknast entlassen!

Eral Eren* für RoterMorgen – 1. Februar 2021

»Ich sollte als Informant für sie arbeiten«, berichtete der Genosse Gökhan nach seiner Freilassung!

Wir berichten am 25. Januar über die Entführung des Genossen Gökhan am 20. Januar in Istanbul und den Aktionen seiner Genossen und Verwandten für seine Freilassung. Nun kam die freudige Nachricht, dass Gökhan lebt und zwischenzeitlich frei gelassen wurde. Was nicht erfreulich ist, sind die Schilderungen seiner Erlebnisse.

Gökhan Güneş berichtete noch am gleichen Tag seiner Freilassung auf einer Pressekonferenz der Human Rights Association über seine Erlebnisse. Gegenüber der internationalen Presse erklärte er unter andrem:

Genosse Gökhan Güneş auf der Pressekonferenz am 26. Januar 2021. Bild: © Gokhannsnerede

„An dem Tag habe ich mich etwas später als sonst zur Arbeit aufgemacht. Ich wohne im Stadtteil Ikitelli, und meine Arbeitsstelle befindet sich im Stadtteil Basaksehir. Gegen zwölf Uhr bin ich aus dem Bus ausgestiegen, und plötzlich standen vier Personen vor mir. Der eine hat mich angesprochen und sagte »Kannst du mal kurz schauen?« Als ich mich umgedreht hatte, lag ich bereits auf dem Boden. Sie haben mich in einen Wagen gezerrt. Ich hatte mich gewehrt, deswegen haben sie ein Elektroschockgerät benutzt. Als ich dann wieder zu Bewusstsein kam, haben mich zwei Personen festgehalten, und ich hatte einen Sack über dem Kopf. Unterwegs sind wir in ein anderes Auto umgestiegen, aber ich konnte nichts sehen und weiß auch nicht, wo es war.

Meine Entführer haben systematisch Folter angewendet: Sie haben mich zusammengeschlagen, Elektroschockgeräte benutzt und mit kaltem Wasser übergossen. Während der Folter war ich meistens nackt, gefesselt, und meine Augen waren verbunden. Dort, wo ich war, muss es mehrere Folterräume gegeben haben. Einen Bereich nannten sie »das Grab«. Es war eine Gummizelle, in der die ganze Zeit grelles Licht aus einem Projektor kam. Dort hatten sie über einen Lautsprecher ununterbrochen nationalistische Lieder laufen lassen.

Außerdem haben sie mich die ganze Zeit massiv bedroht, um mich zur Zusammenarbeit zu zwingen. Ich sollte als Informant für sie arbeiten. Zwischenzeitlich haben sie auch psychologischen Druck ausgeübt und mir mit Vergewaltigung gedroht. Nach Gesprächen folterten sie mich weiter. Sie haben mehrmals gefragt, ob ich wüsste, wer sie seien. Ich habe dann geantwortet, dass sie vom Geheimdienst seien, aber das haben sie weder bejaht noch verneint. Später meinten sie, sie wären »Menschen im Hintergrund«. So ging das die ganzen Tage. In den Morgenstunden am sechsten Tag haben sie mir Kleidung gegeben und mehrere Stellen an meinem Körper mit Desinfektionstüchern gesäubert. Dann musste ich mit verbundenen Augen in ein Auto einsteigen. Kurz vor meiner Freilassung kam jemand und sagte: »Wir behalten nur deine SIM-Karte. Alles andere kriegst du wieder zurück«. Sie haben mich in dem Stadtteil freigelassen, wo sie mich auch entführt haben. Ich habe dann ein Taxi genommen und bin zu meinen Eltern gefahren.“

Genossen Gökhan erklärte weiter:

„Ich bin Aktivist der „Sozialistische Partei der Unterdrückten“ (ESP), im Stadtteil Ikitelli. Seitdem meine Eltern aus Tokat nach Istanbul gezogen sind, lebe ich in diesem Viertel und bin für meine sozialistische Einstellung bekannt. Ich bin kein Einzellfall: Diese Methoden des Geheimdienstes sind in den neunziger Jahren in der Türkei bekanntgeworden, und sie werden auch heute noch angewendet. Mit dieser Vorgehensweise versuchen sie, Jugendliche einzuschüchtern und als Informanten zu gewinnen. Das war eindeutig auch das Ziel meiner Entführung, während der Folter wurde mir das mehrmals angeboten.

Genosse Gökhan Güneş nach seiner Freilassung, am 26. Januar 2021 im Kreise seine Familie. Bild: © Gokhannsnerede

Ich habe erst nach meiner Ankunft bei meinen Eltern mitbekommen, was in den vergangenen Tagen passiert und an Öffentlichkeitsarbeit geleistet wurde. Ich möchte mich bei meiner Familie, Freunden, Genossen und der ganzen Öffentlichkeit für die Solidarität bedanken, die sie gezeigt haben.

Ich bin sehr, sehr erschöpft, aber diese Unterstützung gibt mir die nötige Kraft, denn wir müssen den gemeinsamen Kampf vorantreiben. Diese Solidarität brauchen wir in der Türkei. Meine Familie, Freunde und Genossen standen jeden Tag auf der Straße, zum Beispiel vor der Polizeistation und dem Gericht in Caglayan, um nach meinem Aufenthaltsort zu fragen und meine Freilassung zu fordern. Dafür haben sie selbst Repressalien erfahren. Trotzdem haben sie die Öffentlichkeit weiter informiert und für starke Berichterstattung gesorgt. Oppositionelle Abgeordnete haben eine parlamentarische Anfrage gestellt, in der sie die Regierung aufgefordert haben, zu meinem Verbleib Stellung zu nehmen. Das alles war mit Sicherheit sehr wichtig für meine Freilassung.“

RoterMorgen wünscht dem Genossen Gökhan viel Kraft und Mut für die Zukunft. Wir versprechen weiter über Unrecht und Klassenkämpfe zu berichten, immer die Finger in die Wunden des Kapitals zu legen, bis zu deren entdgültigem Untergang!
Hoch die internationale Solidarität!
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Wir fordern:

.Freiheit für alle politisch Gefangenen!
Gerichtsverfahren und Bestarfung aller Folterknechte des türkischen Geheimdienstes!

Macht keinen Urlaub in der faschistischen Türkei!

Nieder mit der faschistischen Türkei!

Hoch die internationale Solidarität!

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* = Unsere Unterstützer/innen und Informanten aus der faschistischen Türkei müssen täglich mit Repressalien, Haft und Folter rechnen, wenn sie kritisch über die aktuellen Zustände in ihrem Land informieren. Aus diesem Grunde nennen wir stellvertretend statt ihre Namen den Namen unseres Genossen Erdal Eren der am 13. Dez. 1980, im Alter von 17 Jahren von der türkischen Militärjunta ermordet wurde. Wir werden Erdal nie vergessen und kämpfen in seinem Sinne weiter!

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Genosse Gökhan Güneş in der Türkei entführt!

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