Rui Filipe Gutschmidt – 2. Februar 2021
„Dies ist das João Semedo-Gesetz“. Der im Juli 2018 verstorbene Abgeordnete des Linken Blocks (BE), João Semedo ist der Urheber des Gesetzestexts, dass die Sterbehilfe in Portugal legalisiert. Portugal wird damit das vierte Land Europas und das siebte der Welt, in der die Sterbehilfe legal ist. Vertreter verschiedener religiöser Organisationen üben Druck auf Präsident Marcelo R. de Sousa aus, das Gesetz nicht zu unterschreiben und für verfassungswidrig zu erklären.
José Manuel Pureza äußerte sich nach der für den Linken Block erfolgreichen Abstimmung:
„Mit der gerade getroffenen Abstimmung hat das Parlament unserer Demokratie Würde und Respekt verliehen“, erklärte José Manuel Pureza. Der Gesetzentwurf wurde mit 136 Stimmen Ja-Stimmen des Linken Blocks, der Tierschutzpartei (PAN), der Grünen (PEV), eines Teils der regierenden sozialdemokratischen PS und der Mitterechtspartei PSD, der Liberalen Initiative (IL) sowie parteiloser Abgeordneter genehmigt.
Das im Februar 2020 aufs Neue in Gang gesetzte Gesetzgebungsverfahren für die fünf Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe wurde am Freitag mit der Genehmigung des endgültigen Textes des Diploms mit 136 Stimmen Ja-Stimmen, 4 Enthaltungen (jeweils 2 PS und PSD Abgeordnete, sowie 78 Gegenstimmen der Kommunisten (PCP), Teilen der PS und PSD-Fraktionen der Christdemokraten (CDS) und der Rechtsextremen (Chega).
In einer Erklärung zur Abstimmung bekräftigt der Abgeordnete José Manuel Pureza, dass „das Gesetz, das wir verabschiedet haben, in seiner Kombination von Kühnheit mit Klugheit, Entschlossenheit mit Strenge die richtige Antwort der Demokratie auf die Fundamentalismen und Strategien der Angst ist, mit denen beabsichtigt wurde diesen Gesetzgebungsprozesses zu beeinflussen“.
„Auf die Verbreitung der Angst reagierte das Parlament verantwortungsbewusst und tat, was es zu tun hatte: Es brachte das beste rechtliche, medizinische und bioethische Wissen in die Debatte ein und entwarf damit ein ausgewogenes und gerechtes Gesetz“, fuhr der Abgeordnete fort.
Gesetzgebungsprozess „muss mit völliger Gelassenheit abgeschlossen werden“, da Präsident Marcelo de Sousa prüfen muss, ob das Gesetz Verfassungskonform ist.
„Der Gesetzgebungsprozess endet hier nicht. Wir vertrauen jedoch darauf, dass die nächsten Schritte von demselben Geist der Toleranz und des Respekts für die freie und informierte Entscheidung jedes Einzelnen geleitet werden, der die Mehrheit dieses Parlaments gefolgt ist. In einer pluralismusfreundlichen Gesellschaft und einem gesetzesfreundlichen Staat gibt es keinen Platz für einen vorgefassten moralischen Vorrang. Die einzige Werteordnung, an die sich der Gesetzgeber halten muss, ist die der Verfassung der Republik. Und das Gesetz, das wir heute verabschiedet haben, macht dies ohne Makel“, fuhr Pureza fort.
Doch der frisch im Amt bestätigte Präsident ist von der konservativen PSD und gläubiger Katholik und genau aus diesem Sektor der Gesellschaft kommt der grösste Widerstand gegen die Sterbehilfe. Die Katholische Kirche kommt mit den selben Argumenten und dem Fundamentalismus wie seit Jahrhunderten und auch wenn man in der toleranten Demokratie Portugals jedem seinen Glauben lassen muss, so ist der Laizismus doch ein fester Bestand der portugiesischen Verfassung. So sollte die Ratifizierung des Gesetzes eigentlich nur noch Formsache sein.
Was ist Sterbehilfe?
„Unter den vielen Namen, die den Weg gemacht haben, der heute die Kraft des Gesetzes hat, gibt es einen, in dem alle Kredite, die er unserer Demokratie bringt, hinzugefügt werden: João Semedo. Kurz gesagt, João Semedos Mut, Wissen, Nachdenklichkeit und harte Arbeit prägten dieses Gesetz, und dies musste der Tag sein, an dem João hier bei uns sein würde, um es zu genehmigen. Ja, war es. Weil dies das João Semedo-Gesetz ist “, schloss der Abgeordnete des Blocks.
2017 brachte João Semedo die Diskussion ins Rollen. Damals schrieb ich auf Info-welt.eu: Euthanasie – Portugals Gesellschaft diskutiert gesetzliche Regelung
„Die portugiesische Gesellschaft ist teilweise noch recht konservativ-katholisch. In den Städten aber leben eher liberal laizistische Menschen, die unabhängig von ihrem Glauben, für den „guten Tod“ sind. Die Polemik geht aber über Glaubens- und Parteigrenzen hinweg. Dabei hat das Thema auch eine wirtschaftliche Seite. Am Ende geht es darum, ob wir selbst über unseren Todeszeitpunkt bestimmen dürfen.“ …
In diesem Gesetz werden mehr oder weniger genaue Kriterien für die Durchführung der Sterbehilfe festgelegt. Damit will der Gesetzgeber Missbrauch und einen zu lockeren Umgang mit der Möglichkeit beim Suizid unterstützt zu werden vermeiden.
So gilt folgendes als „nicht strafbare Euthanasie“(Sterbehilfe) den Tod auf eigenen Wunsch eines Erwachsenen, in extremer Leidenssituation, mit definitiver, nach wissenschaftlicher Einschätzung extrem schwerer Verletzung oder tödlicher, unheilbarer Krankheit, vorzeitig herbeizuführen, wenn dies von Gesundheitspersonal praktiziert oder unterstützt wird.
Der Antrag muss von zwei oder drei Ärzten geprüft werden. Ein orientierender Arzt und ein spezialisierter Facharzt sind Pflicht, wobei auch ein Psychiater dazugeholt werden muss, falls Zweifel daran bestehe, dass der Antragsteller „ernsthaft, frei und aufgeklärt“ handelt. Öffentliche und Private Gesundheitseinrichtungen die stationäre Aufnahmekapazität und geeignete Einrichtungen haben, dürfen die Sterbehilfe nach entsprechender Genehmigung und Lizenzerteilung durchführen.
Es ist eine Frage des Respekts vor der persönlichen Freiheit. In diesem Fall ist es die ultimative Freiheit über sein eigenes Leben oder den eigenen Tod entscheiden zu dürfen. Die portugiesischen Bischöfe, der Vatikan, die Evangelisten (Freikirchen) und andere religiöse Vereinigungen laufen Sturm gegen das Gesetz. Für sie ist das Leben „heilig“, da es „von Gott gegeben“ ist und daher nur „von Gott genommen werden darf.
Doch diese Einmischung in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen ist einfach nur intolerant. Wer an Gott glaubt oder besser gesagt, wer glaubt, dass die Kirchen das Wort Gottes (oder bei anderen Religionen der Götter) vertreten, dem sei es gewährt. Doch eine Einmischung in die individuelle Freiheit andersgläubiger, Agnostiker oder Atheisten ist mit einer laizistischen Demokratie nicht vereinbar. Bleibt dem Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa nur noch das Gesetz zu ratifizieren. Alles andere wäre ein Skandal.
Im Anschluss noch zwei frühere Beiträge zum Thema:
https://info-welt.eu/euthanasie-portugals-gesellschaft-diskutiert-gesetzliche-regelung/
https://info-welt.eu/portugals-parlament-stimmt-knapp-gegen-euthanasiegesetz-das-leiden-geht-weiter/
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