Wahl in Portugal – Absolute Mehrheit für PS, absolute Macht für Premierminister Costa

Wahlurne in Portugal. Bild: Jomac:ps

Rui Filipe Gutschmidt – 1. Februar 2022

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Rui Filipe Gutschmidt

Es geschehen manchmal merkwürdige Dinge in der Demokratie, wie man am Beispiel Portugals bestens sehen kann. Die Medien haben diese Wahl stark beeinflusst, doch das Resultat war nicht das, was sich einige  gewünscht hatten. Für die nächsten vier Jahre wird er Portugal regieren, ohne Rücksicht auf andere Parteien nehmen zu müssen. Seine Strategie ist aufgegangen und er hat die Absolute Mehrheit errungen.

Das Wahlergebnis vorweg:

PS (Sozialistische Partei) – Sozialdemokraten, Mittelinks, Progressiv 41,68% – 117 Sitze

PSD (Sozialdemokratische Partei) – Mitterechts, Konservativ, Neoliberale Züge 27,80% – 71 Sitze

CHEGA (es reicht) – Rechtspopulisten, Neofaschisten 7,15% – 12 Sitze

IL (Liberale Initiative) – Neoliberal 4,98% – 8 Sitze

BE (Linker Block) – Linksprogressive, Sozialisten 4,46% – 5 Sitze

CDU (Unitarisch-Demokratische Koalition) = PCP+PEV (Kommunistische Partei Portugals+Ökologische Partei „die Grünen“ – Kommunisten + Linksökologische Umweltschutzpartei 4,39% – 6 Sitze

PAN (Personen, Tiere und Natur) – Mitterechts, Umwelt- und Tierschutz 1,53%1 Sitze

Livre (Freie) – Linksprogressiv, Ökologie ca. 1,28%1 Sitze

PSD/CDS (Mitterechts-Bündnis für die autonome Region Madeira) 0,94% – 3 Sitze

PSD/CDS/PPM (Mitterechts-Bündnis für die autonome Region Azoren) 0,53% – 2 Sitze

Weitere 4 Sitze werden noch in Representation der im Ausland lebenden Portugiesen zugeteilt. Diese Sitze, 2 für Europa, 2 für den Rest der Welt werden von den Stimmen in 27 Konsulaten bestimmt und werden für gewöhnlich von PS und PSD gewonnen. Somit wird die PS auf 118-120 und die PSD auf 72-74 Sitze kommen.

Die Wahlbeteiligung war mit zirka 58% höher als erwartet, wobei manche Parteien ihre „Klientel“ besser motiviert haben als andere.

Die PS hat also mehr als die Hälfte (115) Sitze und hat somit die Absolute Mehrheit errungen. Damit hat Premierminister Antonio Costa sein Ziel erreicht und kann regieren ohne Rücksicht auf die Parteien nehmen zu müssen, die ihm 2015 und 2019 an die Regierung gebracht haben. Die Kommunisten und Grünen hatten 2015 17 Stimmen und 2019 12, während der Linke Block bei beiden Wahlen 19 Sitze bekommen hatte. Damit haben die Parteien zur Linken der PS gemeinsam 18 Sitze verloren, die PS aber gewann nur 9-12 dieser Sitze.
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Der Rechtspopulismus wächst an

Sozialdemokrat António Costa sich: Die nächsten vier Jahre muss er weder auf die Unitarisch-Demokratische Koalition noch auf den Linken Block Rücksicht nehmen. Bild: YouTube

Die Rechtspopulisten von CHEGA kamen auf 12 Sitze, mit denen sie jetzt ihre Hassideologie verbreiten können. Damit ist das Phänomen auch in Portugal angekommen. Dabei war Rassismus und Nationalegoismus immer schon ein Teil dieses Landes in dem Rücksiedler aus den ehemaligen Kolonien, Veteranen aus den Befreiungskriegen und Menschen deren Familien ihre elitäre Machtstellung verloren haben, ihren Hass auf „minderwertige Rassen und Völker“ nicht offen zeigten. Sie wussten, dass es falsch ist, aber jetzt haben sie jegliches Schamgefühl verloren und glauben sich sogar moralisch überlegen.

Die (Neo)Liberalen von IL haben auch stark zugelegt und gemeinsam mit dem Anstieg der CHEGA erklärt sich auch der starke Verlust der klassischen Mitterechtsparteien PSD und CDS. Eine klare Radikalisierung beim konservativ-neoliberalem Bürgertum ist das Resultat eines sechsjährigen linken Regierungskurses. Die „Christdemokraten“ der CDS haben sogar ganz ihre Repräsentation in der Assembleia da República verloren. Zum ersten mal seit der Nelkenrevolution ist die CDS nicht in Portugals Parlament vertreten.

Die „Freien“ (Livre) haben einen Sitz errungen und auch die Tierschutzpartei PAN hat einen von den ursprünglichen 4 Sitzen retten können. Alles in allem ist die portugiesische Volksvertretung weiterhin linksdominiert und die PS hat auch angekündigt, „ihren Linkskurs beizubehalten“. Doch man braucht sich nicht allzu große Hoffnungen zu machen. Die Partido Socialista ist – wie die SPD in Deutschland oder die SPÖ in Österreich – stark mit einigen Wirtschaftsbossen verknüpft und ohne den Einfluss der „Geringonça“ (BE, PCP, PEV), wird die Politik in Portugal bei weitem nicht so sozial-progressiv und ökologisch sein, wie in den letzten 6 Jahren.

Während die Gewinner noch den Kater von ihren Champagner-Rausch auskurieren, lecken die Verlierer ihre Wunden und analysieren das Wahlergebnis. Auch Info-Welt analysiert.

 

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